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Theoretische Chemie: Berechnende Katalysatoren

Katalysatoren bringen die chemische Welt in Schwung. Dummerweise bestehen sie häufig aus teuren Edelmetallen. Da kommt eine Methode, durch kostengünstige Rechnungen einen billigen Ersatz mit den gleichen Eigenschaften zu finden, gerade recht.
Katalysator
"Chemie ist eigentlich nur die Physik der Elektronenhüllen", pflegen manche Physiker gerne zu sagen. "Wenn das so ist, dann kann die Physik gerne mal etwas für die Chemie tun", mögen sich dänische Chemiker um Jens Nørskov von der Technischen Universität in Lyngby gedacht haben. Denn das Team aus dem hohen Norden knabberte an einem Problem, mit dem Industriechemiker auf aller Welt sich seit Langem herumschlagen: Wie kann man billig machen, was bislang nur teuer geht?

Der chemische Schritt, der ihnen Sorgen bereitet, sieht auf dem Papier harmlos aus. Ethin (C2H2) soll durch Zugabe von Wasserstoff eine seiner drei Bindungen zwischen den beiden Kohlenstoffatomen aufgeben und zu Ethen (C2H4) mit einer Doppelbindung werden. Kein großes Kunststück – wäre da nicht die Gefahr, dass das Ethen gleich noch mehr Wasserstoff aufnimmt und zu Ethan (C2H6) weiterreagiert. Mit nur einer Einfachbindung ist Ethan nämlich industriell weniger interessant, da es sich nicht mehr zu langen Polymeren verknüpfen kann.

Die Aufgabe, diese Reaktionskette anzustoßen und rechtzeitig abzubrechen, kommt in der Industrie speziellen Katalysatoren zu, die einen Vorteil und einen Nachteil haben. Positiv anzumerken ist, dass der übliche Katalysator aus einer Legierung von Palladium und Silber die Hydrogenierung durchaus zufriedenstellend erledigt. Ganz und gar nicht positiv finden die Vertreter der Unternehmen hingegen den unangenehm hohen Preis der Verbindung. Und so wären sie hocherfreut, wenn es einen Ersatz gäbe, der günstig und gut auf einen Schlag ist. Eine anstrengende (und ebenfalls kostenträchtige) Suchaufgabe für die Chemiker in den Entwicklungsabteilungen.

Zum Glück für die Suchenden haben die dänischen Forscher nun eine Abkürzung gefunden, die ihren Kollegen in Zukunft etliche Stunden im Labor ersparen könnte. Gemäß der Maxime der Physiker haben sie sich ein Modell aus der Quantenphysik ausgeliehen, das Density Functional Theory (DFT) heißt und die Elektronenstruktur in Molekülen beschreibt.

Mit Erfolg! Denn die Rechnungen ergaben, dass die Funktion des Silbers in der herkömmlichen Legierung vor allem darin besteht, die Stabilität des gebundenen Ethins und Ethens zu beeinflussen. Die eigentliche Reaktionshürde verändert es hingegen kaum.

Mit diesem Wissen prüften die Wissenschaftler andere Metalle und Legierungen auf deren Adsorptionseigenschaften und sortierten aus dem reichhaltigen Angebot eine Legierung aus Nickel und Zink aus. Das neue Material ist billig, stabil, einigermaßen hitzebeständig – und es sollte sogar besser als Katalysator wirken als sein teurer Vorgänger.

Dass diese Hoffnung nicht nur ein theoretischer Trugschluss war, haben die Chemiker zur Sicherheit auf klassische Weise mit einem Versuch überprüft. Und tatsächlich: Die DFT-Rechnung hatte einen Volltreffer gelandet. Zumindest im Labormaßstab hielt die Nickel-Zink-Legierung, was die Quantenphysik versprochen hatte.

Statt blind im Periodensystem zu stochern, könnten Chemiker demnächst also ihre Kandidaten in einem DFT-Casting vorsortieren. Für sich allein genommen ist diese Methode zwar nicht ausreichend, da Katalysatoren eine Vielzahl weiterer Bedingungen erfüllen müssen, die in keiner Wellenfunktion auftauchen. Doch für eine erste Sichtung reicht offenbar schon ein recht einfaches DFT-Modell. Haben die Physiker ja schon immer gewusst.

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