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Kosmologie: Bewegtes Universum

Die Materie im Weltall sollte sich eigentlich anziehen, doch stattdessen driftet sie scheinbar unaufhaltsam auseinander - und das immer schneller. Dunkle Energie soll die treibende Kraft dahinter sein. Die Verteilung von fernen Galaxien könnte diesen Verdacht bestätigen.
Weltall in Bewegung
Mit Masse behaftete Dinge ziehen sich gegenseitig an. Nicht so stark wie magnetischer Süd- und Nordpol oder positiv und negativ geladene Teilchen, aber dafür reicht die Wirkung über viel weitere Distanzen. Demnach sollten sich Sterne, Galaxien und alle andere Materie im Universum anziehen und so gemeinsam jene Expansion abbremsen, der das Universum seit seiner Geburt im Big Bang unterworfen ist.

Mit Hilfe von Supernovae in fernen Sternsystemen wollten Wissenschaftler diese an sich schlüssige These prüfen: Ein Typ von ihnen leuchtet stets mit derselben Helligkeit auf, und so lässt sich aus der beobachteten Leuchtstärke auf ihre Entfernung schließen. Im Jahr 1998 werteten sie das Licht dieser Sternexplosionen, das mehrere Milliarden Jahre durch den Kosmos reiste, erstmals systematisch aus. Die Analyse sprach für eine beschleunigte Expansion des Weltalls – früher dehnte es sich also langsamer aus als heute.

Eine Kraft, die den gesamten Raum durchdringt, sollte gegen die anziehende Wirkung der Gravitation wirken. Auch andere kosmologische Beobachtungen, insbesondere die der kosmischen Hintergrundstrahlung, untermauerten die Idee dieser Dunklen Energie, wie man sie taufte. Demnach sollen rund 75 Prozent des Universums in einer Form vorliegen, die bis dahin keiner kannte. Kosmologen versuchten die mysteriöse Kraft in Modelle zu integrieren, sie zu erklären – bislang allerdings nur mit zweifelhaftem Erfolg.

Richtig oder falsch

Einige Physiker arbeiten hingegen an Alternativvorschlägen – etwa einer umgestalteten Gravitationstheorie. Damit wäre dann keine zusätzliche Kraft mehr vonnöten. Die Korrektheit oder das Versagen der einen oder anderen Hypothese zu beweisen, stellt sich wie so oft in der Astronomie als nicht allzu einfach heraus. In diesem Fall scheinen die Kontrollmöglichkeiten besonders spärlich gesät. Luigi Guzzo vom Osservatorio Astronomico di Brera im italienischen Merate und sein Team brachten nun eine neue Methode ins Spiel.

Diese nutzt die scheinbare Bewegung von Galaxien aus, die aus zwei Effekten resultiert: zum einen aus der globalen Expansion des Universums, welche die Galaxien wie Rosinen in einem Kuchen auseinander treibt, und zum anderen aus der gegenseitigen Anziehungskraft der Materie, die dem lokal entgegenwirkt. In den vergangenen dreißig Jahren ist es Wissenschaftlern gelungen, dreidimensionale Karten der Galaxienverteilung in einem großen Volumen des Universums zu rekonstruieren. Dabei zeigten sich großräumige Strukturen, wie Haufen oder faserartige Superhaufen.

Möglich machte das die genaue Analyse ihres elektromagnetischen Spektrums, denn während das Licht durch den expandierenden Kosmos reist, wird es förmlich in den Länge gezogen. Astronomen bezeichnen das als Rotverschiebung: Die Wellenlängen werden zum roten Spektralbereich hin verschoben – also länger. Das Ausmaß dieser Streckung ist nahezu proportional zu der überwundenen Distanz. Die Eigenbewegung der Galaxien im Schwerefeld ihrer Nachbarn sorgt aber für eine Verzerrung dieser Karten, indem sie die Rotverschiebung je nach Bewegungsrichtung verstärkt oder schwächt.

Positives Denken

Und diese kleinen Abweichungen können, gemessen in verschiedenen Epochen des Universums, wertvolle Informationen über die Dunkle Energie liefern, meinen Guzzo und seine Kollegen. Also schauten sei sich gleich die Verteilung und Bewegung von mehreren tausend Galaxien an. Mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile beobachten sie am Himmel einen Bereich, der etwa zwanzig Vollmonden entspricht, und suchten darin nach Sternsystemen, die etwa sieben Milliarden Lichtjahre von uns entfernt liegen. Ihre Daten verglichen sie mit denen früherer Durchmusterungen, die jene Effekte bereits im lokalen und damit im heutigen Universum untersucht hatten.

Galaxienverteilung | Auf den Karten ist die Verteilung der Galaxien in der nun untersuchten Region dargestellt. Ihr Licht reiste je nach Entfernung zwischen 1,3 und 8,5 Milliarden Jahre durch das Weltall bis es die Erde erreichte. Im oberen Kasten sind die näheren Exemplare abgebildet, im unteren die am weitesten entfernten. Die Farben geben die Galaxiendichte wieder – die dichtesten Stellen sind grün eingefärbt.
Die Messergebnisse besitzen große Fehlerbalken, und so können die Forscher lediglich eine breite Übereinstimmung mit den momentan favorisierten kosmologischen Modellen zeigen, in denen Dunkle Energie die beschleunigte Expansion verantwortet. Dennoch geben sie zu, dass auf Grund der großen Unsicherheiten andere Szenarien nicht gänzlich auszuschließen sind. Ein wenig deprimierend vielleicht, doch Guzzo und Co sehen es positiv: Immerhin scheint die Methode zu funktionieren.

Kommende Durchmusterungen des Himmels, die das Hundertfache des jetzt untersuchten Volumens abdecken, werden ihrer Meinung nach in der Lage sein, zwischen einzelnen Modellen zu unterscheiden. Schenken wir ihnen Glauben, bleibt es nur eine Frage der Zeit, bis wir der Dunklen Macht auf die Schliche kommen.

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