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News: Biologische Gleichmacherei

Mit zwei alt bekannten Regeln beschreiben Physiologen die Stoffwechselintensitäten der Organismen: Der Metabolismus steigt mit zunehmender Körpermasse, und er steigt mit zunehmender Temperatur. Jetzt haben Wissenschaftler diese beiden Regeln zu einem neuen mathematischen Modell miteinander kombiniert. Und es zeigt sich für alle Organismen - seien es Bakterien, Pflanzen, wirbellose Tiere oder Säuger - eine gleiche Gesetzmäßigkeit, die letztendlich auf biochemische Charakteristika zurückführen ist.
Leben ist Stoffwechsel. Die Geschwindigkeit, mit der ein Organismus Nahrung umsetzt – und damit Energie gewinnt –, bestimmt nicht nur seine Aktivität, sondern auch seine Lebensspanne. Schon lange wissen Physiologen, dass größere Tiere einen höheren Stoffwechsel haben als kleinere. Trägt man den Logarithmus der Stoffwechselintensität gegen den Logarithmus der Körpermasse auf, so scharen sich die Messwerte der unterschiedlich großen Lebewesen um eine Gerade mit einer Steigung von etwa 0,75. Hier offenbart sich also eine allgemeine biologische Regel, die besagt, dass der Stoffwechsel bei fast allen Organismen etwa die gleiche Beziehung zur Größe hat.

Eine andere bekannte Regel betrachtet den Einfluss der Temperatur auf die Stoffwechselrate. Chemiker wissen, dass die Reaktionsgeschwindigkeit mit ansteigender Temperatur zunimmt. Dies hängt einfach damit zusammen, dass bei höherer Temperatur mehr potenzielle Reaktionspartner vorliegen, welche die notwendige Aktivierungsenergie der Reaktion überschreiten können. Und für biochemische Reaktionen gilt das selbstverständlich genauso. Biologen kennen den Zusammenhang als Q10- oder RGT-Regel: Steigt die Temperatur um zehn Grad an, dann verdoppelt bis verdreifacht sich die Intensität der meisten Stoffwechselprozesse. Anders ausgedrückt: Der Temperaturkoeffizient Q10 liegt bei Stoffwechselprozessen in der Regel zwischen zwei und drei. Daher haben gleichwarme Tiere bei kalter Umgebung gegenüber wechselwarmen einen Vorteil, denn sie können einen hohen Stoffwechsel, und damit eine hohe Aktivität, aufrechterhalten.

James Gillooly von der University of New Mexico und seine Kollegen kamen jetzt auf die Idee, beide Parameter – Körpergröße und Temperatur – miteinander zu verknüpfen. Sie betrachteten hierfür die Stoffwechselraten von insgesamt 250 Organismen – von Bakterien über Pflanzen bis zu wechselwarmen und gleichwarmen Tieren. Sie untersuchten die Abhängigkeit der Stoffwechselrate von der Körpergröße in einem Temperaturbereich von 0 bis 40 Grad Celsius und versuchten hieraus ein mathematisches Modell zu entwickeln.

Es zeigte sich hierbei eine allgemeine Abhängigkeit: Der Logarithmus des spezifischen Stoffwechsels – also die Umsatzrate bezogen auf das Körpergewicht – sinkt proportional mit dem Kehrwert der Temperatur. Diese Temperaturabhängigkeit kennen Chemiker aus der Arrhenius-Gleichung, welche die gleiche Abhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Temperatur beschreibt. Die gefundenen spezifischen Stoffwechelraten von Säugetieren liegen zwar um das 20-fache höher als bei Bakterien, die resultierenden Steigungen sind jedoch bei allen Organismengruppen etwa gleich groß. Das bedeutet, die Stoffwechselintensitäten aller Organismen sind letztendlich auf die Reaktionskinetiken der biochemischen Prozesse zurückzuführen.

Und das hat auch Konsequenzen für die Zeitdauer biologischer Prozesse – seien es Zellzyklen, Entwicklungszeiten oder Lebensspannen. Denn hohe Stoffwechselintensitäten verkürzen diese Prozesse, und genau das sagt das Modell der Wissenschaftler voraus: Die auf die Körpermasse bezogenen spezifischen Lebensspannen steigen linear mit dem Kehrwert der Temperatur. Ob Bakterien oder Menschen – biochemisch sind wir wohl alle gleich.

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