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Planetenbildung: Blick in die kosmische Krippe

Astronomen gelang ein tiefer Einblick in die Dynamik der Planetenbildung: Erstmals zeigen sie, dass ein Riesenplanet in der zirkumstellaren Scheibe eines frisch geborenen Sterns entstand.
Wie entstehen Planetensysteme? Wie häufig sind sie? Wie sind sie aufgebaut? Wie viele bewohnbare erdähnliche Planeten gibt es in unserer Milchstraße? Während des vergangenen Jahrzehnts sind die Astronomen den Antworten auf diese Fragen deutlich näher gekommen. Mit der Entdeckung des ersten Planeten, der einen anderen Stern als die Sonne umkreist, hat im Jahre 1995 die systematische Erforschung extrasolarer Planetensysteme begonnen. Bis heute, nur zwölf Jahre später, sind 250 extrasolare Planeten entdeckt worden.

Da Planeten nahe bei einem hellen Stern wie Glühwürmchen neben einem Flutlichtstrahler erscheinen, lassen sie sich meist noch nicht direkt beobachten. Die Astronomen müssen deshalb auf eine indirekte Nachweismethode ausweichen. Planeten umkreisen ihren Mutterstern und "zerren" dabei mit ihrer Gravitation an ihm in periodisch wechselnder Richtung. Dadurch variiert die Geschwindigkeit des Sterns in der Sichtlinie zu uns: Einmal kommt er ein Stück auf uns zu, dann läuft er von uns weg. Im ersten Fall werden die Lichtwellen des Sterns "gestaucht" (Blauverschiebung), im zweiten Fall werden sie "gedehnt" (Rotverschiebung). Diese durch den Doppler-Effekt hervorgerufene periodische Verschiebung der Linien im Sternspektrum verrät die Existenz eines Planeten und erlaubt es, die untere Grenze seiner Masse zu bestimmen.

Blick in die kosmische Krippe | Abb. 1 Auf enger Bahn umläuft der neu entdeckte Riesenplanet seinen jungen, aktiven Zentralstern am inneren Rand der zirkumstellaren Scheibe aus Gas und Staub (künstlerische Darstellung).
Bis heute ist diese Methode der Planetenjagd bei Weitem die erfolgreichste. Allerdings wurde bisher noch kein Planet entdeckt, der einen jungen, sonnenähnlichen Stern umläuft. Dabei würde gerade die Entdeckung junger Planeten einen wichtigen Schlüssel zur Beantwortung der Fragen liefern, wie und wo Planeten entstehen und innerhalb welcher Zeiträume dieser Prozess abläuft.

Vor diesem Hintergrund haben John Setiawan, Thomas Henning und Ralf Launhardt vom Max-Planck-Instituts für Astronomie seit 2003 die Variation der Radialgeschwindigkeiten von etwa 200 jungen Sternen gemessen, darunter jene des nahen Sterns TW Hydrae. Sein Alter beträgt nur acht bis zehn Millionen Jahre, etwa ein Fünfhundertstel  des Alters unserer Sonne. Außerdem ist TW Hydrae – typisch für die jüngsten Sterne – noch von einer zirkumstellaren Scheibe aus Gas und Staub umgeben, aus der nach allgemeiner Vorstellung die Planeten neuer Sterne entstehen.

Die Astronomen stießen auf einen Planeten, der TW Hydrae am inneren Rand von dessen zirkumstellarer Scheibe umkreist. "Als wir die Variation der Radialgeschwindigkeit von TW Hydrae beobachteten, fanden wir periodische Veränderungen, die auf die Gegenwart eines planetaren Begleiters hindeuten und nicht von Sternflecken herrühren können", berichtet Setiawan. Die Entdeckung gelang mit dem Spektrographen FEROS am 2,2-Meter-Teleskop der Max-Planck-Gesellschaft und der Europäischen Südsternwarte ESO auf La Silla in Chile.

Der neue Planet wird TW Hydrae b genannt und ist ein Schwergewicht: Er hat etwa die zehnfache Masse des Jupiter, des größten Planeten in unserem Sonnensystem, und umläuft seinen Zentralstern in nur 3,56 Tagen in einem Abstand von etwa sechs Millionen Kilometern. Das entspricht lediglich einem Fünfundzwanzigstel des Abstands der Erde von der Sonne.

Die Aktivität des Zentralsterns ist allerdings für den Nachweis eines neuen Planeten ein kritischer Punkt – besonders bei einem jungen Stern, dessen Oberfläche noch heftig brodelt. So können große Sternflecken (analog zu Sonnenflecken) die für die Anwesenheit eines Planeten charakteristische Variation der Radialgeschwindigkeit vortäuschen. "Um einen Irrtum auszuschließen, haben wir alle Aktivitätsindikatoren bei TW Hydrae gründlich untersucht. Aber ihre Merkmale unterscheiden sich deutlich von der beobachteten Hauptvariation der Radialgeschwindigkeit. Sie sind weniger regelmäßig und haben kürzere Perioden," erklärt Launhardt.

Periodisch schwankende Radialgeschwindigkeit | Abb. 2 Variation der Radialgeschwindigkeit des Sterns TW Hydrae, gemessen im Frühjahr 2007. Die Messdaten lassen sich durch eine Schwingung mit der Periode 3,56 Tage darstellen, die durch den Umlauf des Riesenplaneten erzeugt wird.
Planeten bilden sich aus Staub und Gas in einer zirkumstellaren Scheibe unmittelbar nach der Geburt des Zentralsterns. Noch sind nicht alle Aspekte dieses Prozesses verstanden. Die Entdeckung von TW Hydrae b liefert aber wichtige neue Hinweise für Theorien der Planetenentstehung. Bisher wussten die Astronomen, dass zirkumstellare Scheiben durchschnittlich zehn bis 30 Millionen Jahre existieren – diese Zeit steht für die Bildung von Planeten in der Scheibe maximal zur Verfügung. Die Beobachtung von TW Hydrae b liefert zum ersten Mal eine echte Obergrenze der für die Planetenbildung erforderlichen Zeit: Seine Entstehung kann nicht länger als acht bis zehn Millionen Jahre gedauert haben, das Alter des Muttersterns. "Damit ist uns erstmals der direkte Beweis gelungen, dass in einer zirkumstellaren Scheibe tatsächlich Planeten entstehen", betont Henning. "Die Entdeckung von TW Hydrae b eröffnet uns die Möglichkeit, die Entwicklung der Scheibe direkt mit dem Ablauf der Planetenentstehung zu verknüpfen." Somit ist TW Hydrae der ideale Prüfstein für numerische Modelle der Bildung von Planeten.

Die Forscher entwickeln gegenwärtig Beobachtungsinstrumente der nächsten Generation, um extrasolare Planeten auch mit anderen Methoden aufzuspüren: durch direktes Abbilden, durch Astrometrie, also dem Messen der winzigen scheinbaren Bewegung des Sterns am Himmel oder durch Transit-Photometrie, bei der die Helligkeitsveränderung des Sterns bestimmt wird, wenn der Planet vor seinem Zentralstern vorbeizieht . Diese Instrumente werden schon bald weitere Planeten entdecken helfen, die mit der bisherigen Methode nicht nachweisbar sind. Mit dem verbesserten Verständnis der Planetenentstehung lässt sich eines Tages die Frage beantworten: Sind wir allein im Universum?

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