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Meteoriteneinschlag: Brachte Dunkle Materie die Dinosaurier um?

Was lenkte den Meteoriten, der die Dinosaurier auslöschte, auf seine Bahn? Dunkle Materie ist schuld, sagen jetzt zwei Physiker.
Ein Asteroid im Vordergrund fliegt auf die Erde zu. Wird er treffen? Viel spannender ist allerdings eine andere Frage: Wie kommt es eigentlich, dass die von Sonne und Erde abgewandte Seite des Asteroiden so exzellent ausgeleuchtet ist?

Eine extrem dünne Scheibe aus dunkler Materie, die quer durch die Milchstraße verläuft – steckt sie hinter dem Aussterben der Dinosaurier? Genauer gesagt: hinter regelmäßigen Meteoritenbombardements, die auf der Erde immer wieder zu Massenaussterben führten? Diese These haben jetzt zwei Physiker der Harvard University aufgestellt.

Die Existenz einer solchen "dark disk" aus dunkler Materie ist noch rein hypothetisch. Sie entspringt einem Modell, das Lisa Randall und Matthew Reece als Lösung für ein ganz anderes kosmisches Rätsel aufgestellt haben [1, 2]. Ob es sie wirklich gibt oder nicht, könnten astronomische Beobachtungen erst in den kommenden Jahren zeigen.

Kurz vor dem Aufprall | Kommt es auf der Erde regelmäßig zu einer Häufung von Meteoriteneinschlägen? Wenn ja, könnte ein Scheibe aus dunkler Materie verantwortlich sein, die vom Sonnensystem auf der Reise rund ums galaktische Zentrum immer wieder durchquert wird.

Trotzdem klingt die Idee jetzt schon "sehr interessant" für Mario Livio, einem Astrophysiker am Space Telescope Science Institute in Baltimore, der an der aktuellen Studie nicht beteiligt war. Sie führe zwei sehr unterschiedliche und spekulative Theorien zusammen, sagt der Forscher. Nur seien die Belege eben bislang noch alles andere als überzeugend.

Zyklisches Bombardement aus dem All

Die Erde ist einem Dauerhagel kleinerer und größerer Gesteinsbrocken ausgesetzt. Doch vor gut dreißig Jahren entwickelten Forscher die Auffassung, dass sich das Bombardement in regelmäßigen Abständen intensiviert. Die zyklische Wiederkehr solcher Meteoritenschauer würde darauf hindeuten, dass sie einen kosmischen Auslöser haben. Ein noch unentdeckter Begleiter der Sonne, meist als "Nemesis" oder "Todesstern" bezeichnet, könnte etwa laut einer Theorie von damals verantwortlich sein: Wenn ein solches Objekt alle paar Millionen Jahre am Sonnensystem vorbeifliegen würde, könnte es jedes Mal einen Schwung von Kometen Richtung Sonne schleudern [3, 4]. Es müsste dazu die Bahnen der Himmelskörper stören, die in der Oortschen Wolke kreisen, einer ausgedehnten Ansammlung von ursprünglichen Gesteinsbrocken am äußersten Rand des Sonnensystems. Die Existenz eines solchen Sterns kann mittlerweile jedoch ausgeschlossen werden.

Randall und Reece bringen nun einen weiteren Vorschlag ins Gespräch, der in verschiedentlicher Form auch schon länger diskutiert wird [5, 6]. Demnach könnte die Regelmäßigkeit auch auf die Bewegung der Sonne selbst zurückgehen – beziehungsweise des Sonnensystems als Ganzes. Dieses kreist nicht nur rund um das Zentrum der Milchstraße, sondern vollführt dabei auch eine kontinuierliche Auf-und-Ab-Bewegung.

Sonne passiert regelmäßig die "dunkle Scheibe"

Dabei schneidet die Sonne immer wieder eine gedachte Ebene, die wie die Schinkenscheibe auf einem Sandwich unsere Galaxie in zwei Hälften teilt. Genau hier, vermuten die beiden theoretischen Physiker, befinde sich eine dichtere Schicht dunkler Materie, deren Schwerkrafteinfluss für die Durchwirbelung der Oortschen Wolke sorgt. Jedes Mal wenn die Sonne durch sie hindurchtaucht, könnte das einen Meteoritenschauer auslösen.

Auf und Ab durch die Milchstraße | Wie der Schinken auf einem Sandwich könnte quer durch die Milchstraße eine Scheibe dunkler Materie liegen, die von der Sonne in einer Auf-und-Ab-Bewegung durchlaufen wird.

In älteren Berechnungen, die noch ohne Annahme einer dunklen Scheibe auskamen, genügten die allgemeinen Gravitationskräfte in der Galaxis nicht für einen entsprechenden Effekt. Erst mit der Scheibe treten Kräfte auf, um etwa alle 35 Millionen Jahre einen Kometensturm hervorzurufen, berechneten Randall und Reece [7]. Tatsächlich gibt es für einen solchen Zyklus erste, wenn auch schwache Anhaltspunkte.

Ein Problem dabei: Nach allgemeiner Auffassung interagiert dunkle Materie kaum mit sich selbst und anderer Materie. Eine solche Schicht sollte sich daher eigentlich nicht bilden.

Zyklen finden sich leicht – zu leicht

Ein geringer Anteil der dunklen Materie könnte sich jedoch ganz anders verhalten als der Rest. Die Theorie dieser "dissipativen dunklen Materie" stellten Randall und Reece gemeinsam mit Kollegen im vergangenen Jahr auf, um rätselhafte Messungen des Weltraumteleskops Fermi zu erklären [8]. Damals waren Wissenschaftler auf Signale gestoßen, die auf eine Art dunkler Materie im galaktischen Zentrum hindeuteten.

Als die Forscher die Daten auf Basis ihrer neuen Theorie durchrechneten, kamen sie auf eine scheibenartige Dunkelmaterieansammlung von 35 Lichtjahren Dicke und einer Massenbelegung von rund einer Sonnenmasse pro Quadratlichtjahr. Und diese Scheibe wäre durchaus dicht genug, um regelmäßige Meteoritenschauer auszulösen.

Und zwar etwa alle 35 Millionen Jahre. Hinweise auf einen solchen Zyklus gibt es tatsächlich, allerdings sind sie "eher bruchstückhaft", wie Randall einräumt. Die Einschlagshäufigkeit schwankt so stark, dass allein aus statistischen Gründen immer einige Zyklen zu Tage treten, wenn man danach sucht.

Gemeinsam mit ihrem Kollegen Reece stellte sie daher das Problem auf den Kopf: Sie berechneten zunächst, welche Periode ausgehend von ihrem Modell zu erwarten ist, und suchten anschließend in den Daten, ob dieser Zyklus existiert. "Wenn man dann einen Treffer erzielt, hat das aus statistischer Sicht mehr Gewicht als andersherum."

Nur Zufallstreffer?

Nach dem 35-Millionen-Jahre-Zyklus suchten sie konkret in einer Altersstatistik von Kratern aus den letzten 250 Millionen Jahren, die mehr als 20 Kilometer Durchmesser haben. Verglichen mit einem Alternativszenario, in dem es gar keine Zyklen gibt und die Einschläge zufällig erfolgen, stimmte ihr Modell dreimal besser mit den Daten überein.

Bald schon dürften Astronomen in der Lage sein, die Existenz einer dunklen Scheibe zu überprüfen: Im vergangenen Jahr startete die Mission Gaia der Europäischen Weltraumagentur ESA, die das Gravitationsfeld der Galaxie genauestens kartieren wird. Ihre Daten dürften entscheiden, ob es die Scheibe gibt oder nicht.

Für Coryn Bailer-Jones vom Heidelberger Max-Planck-Institute für Astronomie ist ein Wahrscheinlichkeitsverhältnis von 3 zu 1 "normalerweise nicht erwähnenswert". Wenn man die angenommenen Eigenschaften der Dunkle-Materie-Scheibe ein wenig verändere, könne man leicht ganz andere Ergebnisse erhalten, sagt der Forscher. Das Modell berücksichtige auch nicht die Möglichkeit, dass Asteroiden, die nicht aus der Oortschen Wolke stammen, die Einschläge verursacht haben könnten.

Die willkürliche Auswahl der Krater und die Tatsache, dass deren Altersbestimmung oft mit großen Unsicherheiten behaftet ist, macht die Ergebnisse zusätzlich ungewisser, findet Adrian Melott von der University of Kansas in Lawrence. "Dissipative dunkle Materie könnte eine gute Erklärung sein, nur ist noch überhaupt nicht klar, ob es überhaupt etwas zu erklären gibt."

Randall hält die Überlegungen trotzdem für nützlich und wertvoll, auch wenn sie bislang hauptsächlich auf Spekulationen aufbauen: "Es geht darum, diese ja schon ein bisschen verrückte Idee zu einer wissenschaftlichen Theorie zu machen, indem man Vorhersagen aus ihr ableitet", meint die Forscherin. "Wir sagen nicht, dass sich das alles als hundertprozentig richtig herausstellen wird."

Dieser Artikel erschien unter dem Titel "Did dark matter kill the dinosaurs?" bei Nature News.

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