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News: Brachten Kometen das Leben auf die Erde?

Aminosäuren sind ein wesentlicher Bestandteil aller Lebewesen auf der Erde, aber noch immer ist ungeklärt, wie die ersten Eiweißbausteine in der frühen Erdgeschichte entstanden. Schon lange wird vermutet, diese komplexen organischen Moleküle könnten auch aus dem Weltall auf die Erde gekommen sein. Jetzt ist es einer Wissenschaftlergruppe gelungen, erstmals hochmolekulare Verbindungen, darunter wichtige Aminosäuren, in künstlich erzeugtem interstellarem Eis nachzuweisen.
<I>Rosetta-Lander</I>
Kometen sind wahrscheinlich die ältesten, weitgehend unverändert gebliebenen Reste einer gigantischen Staubscheibe, aus der unser Sonnensystem vor etwa 4,6 Milliarden Jahren entstanden ist. Von dem kürzlich verstorbenen Mayo Greenberg (Universiteit Leiden) stammt die Theorie, Kometen könnten auch bei der Entstehung des Lebens auf der Erde eine Rolle gespielt haben: Die "schmutzigen Schneebälle", wie der berühmte amerikanische Kometenforscher Fred Lawrence Whipple die Kometenkerne genannt hatte, könnten durch vorbeiziehende Sterne von ihren sonnenfernen Bahnen in die Nähe der Sonne abgelenkt worden sein.

Beim Zusammenstoß mit der Erde und anderen Planeten hätten sie nicht nur ihr Wassereis auf die Planetenoberfläche gebracht, sondern auch große Mengen an chemischen Substanzen, die wie in dem Laborexperiment, durch "Photosynthese", also Lichteinwirkung, entstanden sind.

Die Rosetta-Mission der European Space Agency (ESA) verfolgt deshalb das ehrgeizige Ziel, eine Raumsonde in eine Umlaufbahn um den Kometen Wirtanen zu bringen und eine Landesonde, den Rosetta-Lander, der vom Max-Planck-Institut für Aeronomie in Katlenburg-Lindau entwickelt wurde, auf seiner Oberfläche abzusetzen. Auf diese Weise will man endlich mehr Klarheit über die Natur der Kometen und des interstellaren Staubs gewinnen.

Rosetta soll 2003 starten und bei komplizierten Vorbeiflügen an Mars und Erde ausreichend Schwung nehmen, um im Jahr 2011 den Kometen Wirtanen zu erreichen. Auf dem nur 1,2 Kilometer im Durchmesser messenden Kometenkern sollen mit automatisierten in-situ-Messungen die chemische Zusammensetzung, die Oberflächeneigenschaften sowie der inneren Aufbau des Kometen untersucht werden.

An Bord von Rosetta befinden sich insgesamt 19 von internationalen Konsortien entwickelte Instrumente, davon zehn auf dem Rosetta-Lander einschließlich des Bohrgeräts zur Entnahme von Proben und zur Weitergabe an die Analysegeräte. Zu diesen Geräten gehört auch COSAC - das Cometary Sampling and Composition Experiment. COSAC enthält zur Gasanalyse sowohl einen Gaschromatographen als auch ein Massenspektrometer und soll in der Kometenmaterie vor allem nach komplexen organischen Moleküle suchen und diese identifizieren. Diese Moleküle sind für die Forscher von besonderem Interesse, weil sie die "präbiotischen" Bausteine für das Leben auf der Erde und auf anderen Planeten sein könnten.

Der Anteil dieser organischen Verbindungen an dem gesamten Kometenmaterial wird auf bis zu 30 Prozent geschätzt. Das Vorhandensein kleinerer organischer Verbindungen konnte inzwischen zweifelsfrei nachgewiesen werden. Hingegen ist die Identifizierung größerer Moleküle bisher eher noch spekulativ. So wird der Nachweis dieser Moleküle mit optischen Mitteln dadurch erschwert, dass sich die Spektren aller vorhandenen Moleküle vermischen und die Spektren der selteneren Verbindungen überlagern.

Mit dem COSAC-Experiment sollen diese Probleme überwunden und Materialproben zum ersten Mal direkt auf dem Kometenkern untersucht werden. Speziell geht es hierbei um die Chiralität der potentiellen "präbiotischen" Moleküle. Unter einfachen Simulationsbedingungen entstehen von spiegelbildlich aufgebauten chemischen Verbindungen jeweils die gleichen Mengen. Treten in den Wirtanen-Proben jedoch ähnliche Abweichungen von einem "äquimolekularen Gemisch" auf wie auf der Erde, wäre das ein weiteres Indiz dafür, dass Kometen die Lebensbausteine auf die Erde gebracht haben.

Um die Leistungsfähigkeit der miniaturisierten COSAC-Instrumente zu testen, simulierten die Forscher um Guillermo Muñoz Caro von der Universiteit Leiden chemische Vorgänge im Weltraum, insbesondere in dichten interstellaren Wolken. Dazu nutzten sie eine Vakuum-Apparatur, die einen so genannten cold finger, das heißt einen mit flüssigem Helium auf zwölf Kelvin gekühlten kleinen Aluminium-Block enthielt. Lässt man in eine solche Anordnung verschiedene Gase ein, frieren diese als dünne Eisschicht auf dem cold finger aus.

Um die chemischen Reaktionen in einer dichten interstellaren Wolke nachzubilden, aus der sich ein neuer Stern mit den "dazugehörigen" Planeten und Kometen bilden kann, ließen die Forscher in die Apparatur nur jene einfachen chemischen Verbindungen ein, von denen man aus astronomischen Beobachtungen weiß, dass sie in solchen Wolken häufig und in einem bestimmten Mengenverhältnis vorkommen: Wasser, Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Ammoniak und Methanol im Verhältnis 2 : 1 : 1 : 1 : 1.

Die auf dem Kühlblock entstandenen, sehr dünnen Eisschichten wurden während ihrer Ablagerung mehrere Stunden mit UV-Licht bestrahlt. Damit führte man, wie im Weltall, Energie in Form von Lichtquanten zu, die die Moleküle anregen und ihre Bindungen teilweise aufbrechen können, so dass sich - dem Zufall und den Bindungskräften folgend - neue chemische Verbindungen bilden können.

Die Wissenschaftler hofften, auf diese Weise Moleküle zu erzeugen, die aufgrund vergleichbarer Entstehungsbedingungen jenen ähneln könnten, die der Rosetta-Lander auf dem Kern des Zielkometen Wirtanen mit COSAC identifizieren soll. Da die Forscher wussten, dass auch große und komplexe Moleküle unter Weltraumbedingungen "spontan" entstehen können, erwarteten sie, dass einige weniger komplexe Moleküle in dieser Apparatur entstehen würden.

Tatsächlich aber fanden sie in den Proben des cold finger allein 16 verschiedene Aminosäuren, von denen sechs zu den von der Biologie benutzten Aminosäuren gehören. "Da Aminosäuren die wesentlichen Bausteine aller Eiweiße sind, ohne die das Leben auf der Erde nicht möglich wäre, fällt es schon schwer, hier nicht an Zusammenhänge zwischen Weltraumchemie und Leben zu denken", kommentiert Helmut Rosenbauer, Direktor am Max-Planck-Institut für Aeronomie, das überraschende Ergebnis.

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