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News: Breites Sitzfleisch

Statt wie üblich auf den Schädel zu sehen, haben Paläontologen sich einmal dem Hinterteil unser entfernten potentiellen Vorfahren gewidmet. Aus den Maßen eines gut erhaltenen Beckenknochens schließen sie, daß vor 200 000 Jahren die Rückansicht der Hominiden für unseren heutigen Geschmack nicht gerade attraktiv war. Dafür waren die Babys bei der Geburt möglicherweise weiter entwickelt.
Wir Menschen betrachten unser Gehirn als die Krönung der Evolution. Dementsprechend viel Aufmerksamkeit der Paläontologen ziehen Schädel von Vor- und Frühmenschen auf sich. Aber jeder Schädel muß am Beginn seines Erdendaseins einmal den engen Kanal im Beckenknochen einer Frau passieren. Juan-Luis Arsuaga von der Universidad Complutense in Madrid und seine Kollegen haben sich daraufhin mal einen der wenigen fast vollständig erhaltenen fossilen Beckenknochen eines Hominiden angesehen (Nature vom 20. Mai 1999).

Das Becken und die benachbarten Knochen stammen aus der Höhle Sima de los Huesos (die "Knochenhölle") in Nordspanien, in der bereits etwa 2 500 Fossilien von mindestens 33 menschlichen Körpern gefunden wurden. Die nun genauer untersuchte Hüfte ist mehr als 200 000 Jahre alt und eine von nur vier vollständigen menschlichen Hüften der registrierten menschlichen Fossilien.

Vermutlich stammt das Becken von einem breiten Mann, der über 170 cm groß war, etwa 95 kg gewogen hat und zu einer Bevölkerung gehörte, die gewisse Ähnlichkeiten mit den frühen Neandertalern hatte. Es ist so breit, daß ein heutiger Fötus bequem durch den "Geburtskanal" passen würde. Da die Hüfte jedoch zu einem Mann gehörte, ist anzunehmen, daß damals weibliche Becken noch breiter angelegt waren.

Die Menschen aus Sima de los Huesos waren größer und massiger, als es die modernen Menschen im Durchschnitt sind, ihre Gehirne jedoch waren etwas kleiner. Dies bedeutet, daß ihre Babys mit einem Gehirn geboren wurden, das im Verhältnis zum erwachsenen Gehirn größer war, als dies bei den modernen Menschen der Fall ist. Daraus folgern die Wissenschaftler, daß die damaligen Kinder der Region in intellektueller Hinsicht ihren Eltern schon mehr ähnelten und eine geringere Lernkapazität hatten, als dies heute der Fall ist. Die Kindheit, wie wir sie kennen, könnte also eine spätere Erfindung der Evolution sein.

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