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News: Bremsklotz-Löser für wärmere Tage

Junge Pflanzenkeimlinge können auch nach dem Auskeimen eine witterungsbedingte Entwicklungspause einlegen. Ein destruktives Hilfs-Eiweiß erweckt sie wieder aus ihrer selbstgewählten Erstarrung.
Auch das ist gottlob der Lauf der Welt: Die Tage werden wieder länger und die Nächte kürzer, die Sonnenstrahlen häufiger und die Luft damit endlich wärmer. Kurz, der Frühling wird kommen – und dann, fast genauso sicher, wird uns wieder einmal ein letztes Aufbäumen des Winters überraschen. Meist nachdem wir gerade Wollpullover, Schals und Handschuhe zum Sommerschlaf auf den Dachboden verbannt haben.

Was unsereins nur grummelnd die gerade erst eingemotteten warmen Anziehsachen wieder hervorkramen lässt, ist für die frühjährliche Pflanzenwelt ernstlich existenzbedrohend. Denn sobald eine Pflanze auskeimt, ist sie allen meteorologischen Unbilden relativ schutzlos ausgesetzt – ein Zurück in die sicher schützende Heimstatt ihrer Samenkapsel ist unmöglich. Einer Pflanze, die auf die ersten trügerischen Vorboten des Frühlings hereinfiel und verfrüht auskeimte, bleibt daher nur, auf baldigst bessere Zeiten zu warten und dabei möglichst wenig Energie nutzlos zu verpulvern.

Im Laufe der Pflanzen-Evolution war offenbar noch nie viel Verlass auf die Beständigkeit der Witterungsbedingungen. So entwickelten sich nicht nur Mittel und Wege, den nahenden Frühling möglichst sicher zu erkennen, sondern auch komplexe Mechanismen, um im Falle eines Falles die Entwicklung einer Jungpflanze unterbrechen und so überleben zu können. Reguliert wird diese Entwicklungs-Arretierung durch das Pflanzenhormon Abscisinsäure (ABA), welches auch für einige Stressreaktionen ausgewachsener Pflanzen verantwortlich ist. ABA kann das Wachstum junger Pflanzen – etwa in Zeiten großer Trockenheit – ungefähr 30 Tage lang unterbrechen. Neben ABA muss dafür allerdings auch noch das Protein ABI5 in der Pflanze vorhanden sein – erst beide Stoffe zusammen bewirken den Entwicklungsstopp.

Sind irgendwann aber Trockenheitsperioden oder Eisheilige überstanden, so muss diese Entwicklungssperre auch wieder gelöst werden. Wie das vonstatten geht, untersuchte nun ein Wissenschaftlerteam um Nam-Hai Chua von der Rockefeller University.

Die Forscher entdeckten, dass an den zellulären Bremsklotz ABI5 ein neu entdecktes, weiteres Protein namens AFP andocken kann. Sobald AFP bindet, versieht es ABI5 mit einem kleinen Signalmolekül – einem Ubiquitin-Marker, der das Schicksal von ABI5 besiegelt. Das Proteintandem AFP/ABI5 bewegt sich nun gemeinsam in eine Region des Pflanzenzellkerns, in der das Enzym COP1 arbeitet, eine zelluläre Proteinhäckselmaschine. Hier werden Proteine, die mit Ubiquitin-Markierungen zur Vernichtung gekennzeichnet sind, in handliche, wiederverwertbare Einzelteile zerlegt. Je mehr zelluläres AFP also vorhanden ist, desto weniger freies ABI5 liegt vor; die ABI5-Bremse wird dadurch aufgehoben, und das witterungsbedingt unterbrochene Wachstum der Pflanze wird wieder aufgenommen.

Wie Witterungseinflüsse nun die AFP-Menge und damit die pflanzliche Bremsmechanik beeinflussen, muss nun als nächstes herausgefunden werden. Schließlich ist es für die Pflanze nicht allein entscheidend, bremsen und beschleunigen zu können – sondern auch zu entscheiden, wann was angebracht ist. Immerhin: Das scheint leichter zu sein als der Versuch, einfach die Ankunft des Frühlings verlässlich vorherzusehen.

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