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Quantenelektrodynamik: Chemische Effizienz aus dem Nichts

Quantenfluktuationen des Vakuums können in geeigneten Hohlräumen chemische Reaktionen beschleunigen. Der exotische Effekt verspricht unter anderem bessere Solarzellen. Theoretische Studien und erste Experimente sind viel versprechend.
Periodensystem der Elemente

Das Nichts ist nicht einfach nur nichts. Denn laut der modernen Quantenphysik besitzt das Vakuum einige erstaunliche Eigenschaften, die sich vor allem in den so genannten Vakuumfluktuationen bemerkbar machen. Diese beruhen darauf, dass innerhalb extrem kurzer Zeitintervalle Teilchen im Vakuum entstehen und wieder verschwinden können. Was zunächst wie eines der zahlreichen skurrilen Quantenphänomene klingt – und noch dazu nach einem abstrakten mathematischen Spuk –, hat durchaus reale Konsequenzen. Die Auswirkungen der quantentypischen Vakuumfluktuationen sind physikalisch messbar.

Üblicherweise ist der Effekt, den die Vakuumfluktuationen verursachen, ziemlich klein. Unter besonderen Bedingungen ist er aber überraschend stark. Man kann ihn sich etwa zu Nutze machen, um bestimmte chemische Reaktionen deutlich zu beschleunigen, wie Felipe Herrera von der Universidad de Santiago und Francis Spano von der Temple University in Philadelphia mit umfassenden quantentheoretischen Berechnungen herausgefunden haben. Vor allem chemische Reaktionen in organischen Halbleitern laufen demnach sehr viel schneller ab, wenn man die Eigenschaft des Vakuums nutzt. Das könnte beispielsweise für die organische Fotovoltaik von Interesse sein. Eine andere Anwendung könnte darin liegen, die Effizienz organischer Leuchtdioden zu steigern. Man benötigt hierzu nur Halbleitermaterialien mit passend strukturierten Hohlräumen, in denen die gewünschten Vakuumfluktuationen verstärkt auftreten.

In der Quantenphysik sind die Vakuumfluktuationen vor allem durch den Casimir-Effekt bekannt. Dieser beruht auf den virtuellen Teilchen und Feldern, die ständig und überall im Vakuum auftauchen und wieder verschwinden. Auch ein perfektes Vakuum, in dem sich keine realen Teilchen befinden, ist also nicht völlig leer, sondern besitzt immer eine Art »Grundrauschen« an virtuellen Partikeln. Beim Casimir-Effekt bilden sich nun zwischen zwei nahe beieinanderliegenden elektrisch leitenden Platten virtuelle elektromagnetische Felder aus, deren Wellenlänge genau zwischen diese Platten passt. Das heißt, innerhalb der Platten können nur bestimmte virtuelle elektromagnetische Felder auftreten. Außerhalb der Platten gibt es keine solche Einschränkung, dort sind Felder mit beliebigen Wellenlängen möglich. Das Übermaß an virtuellen Feldern außerhalb der Platten sorgt für eine messbare Kraft, die die beiden Platten zusammendrückt. Mittlerweile gibt es Versuche, diese schwache Kraft technisch nutzbar zu machen.

Passende Hohlräume sind der Schlüssel

Die neue Idee der Forscher, mit Hilfe des Vakuums chemische Reaktionen zu beschleunigen, ist in gewisser Weise eine Abwandlung des Casimir-Effekts. Der Trick besteht darin, die Dimensionen der dabei verwendeten Hohlräume genau so zu wählen, dass darin virtuelle elektromagnetische Felder mit ganz spezifischen Wellenlängen auftreten, die genau zu bestimmten Molekülen passen.

Bei vielen chemischen Reaktionen gehen Elektronen von einer Molekülgruppe auf eine andere über. Dabei reorganisieren sich die Atome dieser Molekülgruppen, was den Prozess ausbremst. »Elektronentransfer-Reaktionen sind weniger effizient, wenn diese Reorganisierungsenergie groß ist«, sagt Studienautor Felipe Herrera.

Wenn man den Hohlraum aber so einstellt, dass die virtuellen Felder in Resonanz mit dem Molekül stehen, das Elektronen abgibt, dann ändert sich die »Energie-Landkarte« für die Elektronen, und die Reaktion kann sehr viel schneller ablaufen. Das Ganze funktioniert jedoch nur, wenn ausreichend viele Moleküle im Hohlraum vorhanden sind und dadurch eine resonante Verstärkung eintreten kann. »Es handelt sich hier um einen kollektiven Effekt, der nicht bei einem einzelnen Molekül vorkommt«, so Herrera.

Thomas Ebbesen und seine Arbeitsgruppe an der Université de Strasbourg gehören zu den Pionieren auf diesem sehr jungen Forschungsgebiet. Ihnen ist es bereits gelungen, mit Hilfe mikroskopischer, periodisch angeordneter Löcher den Transfer von Elektronen um rund eine Größenordnung zu verbessern. Das ist ein erstaunlich hoher Wert, denn üblicherweise machen sich die Vakuumfluktuationen nur durch marginale Effekte bemerkbar. Laut den Berechnungen von Herrera und Spano könnte man gewisse Reaktionen unter Umständen sogar um das bis zu 100-Fache beschleunigen. Insbesondere bestimmte Reaktionen, wie sie etwa nach der so genannten Marcus-Theorie ablaufen, scheinen für einen Vakuum-Boost geeignet zu sein. Diese Theorie ist nach dem Chemiker Rudolph Arthur Marcus benannt, der für seine Arbeiten zum Elektronentransfer 1992 den Nobelpreis für Chemie erhielt.

Wachsendes Forschungsfeld

»Die Hohlräume erlauben uns, Einfluss darauf zu nehmen, wie die Zustände der Elektronen und die Bewegungen der Moleküle miteinander wechselwirken«, sagt Bill Barnes, der sich an der University of Exeter mit solchen Reaktionen auseinandersetzt. Damit lässt sich die Effizienz der gesamten chemischen Reaktion beeinflussen.

Welche Art Hohlraum man wählt, ist zunächst völlig offen – der Fantasie der Experimentatoren sind keine Grenzen gesetzt. Sowohl ebene Hohlräume als auch Wellenleiter, Löcher in geeigneten Materialien oder sogar Nanoteilchen oder photonische Kristalle könnten den gewünschten Effekt haben. »Alles, was das elektromagnetische Feld stark genug eingrenzt, sollte funktionieren«, so Herrera.

Mit solchen Nanostrukturen könnten Forscher in Zukunft unter anderem effizientere organische Leuchtdioden oder Solarzellen herstellen. Doch das Forschungsgebiet ist gerade erst im Entstehen begriffen. »Mit Anwendungen ist wohl frühestens in fünf bis zehn Jahren zu rechnen«, schätzt Ebbesen. Bis dahin erwarten die Wissenschaftler ein rasch wachsendes Forschungsfeld.

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