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Amateurastronomie: Sterne als Touristenmagnet

Chile will sich als Zielland für Astrotouristen positionieren. Nun wurden Zahlen über Angebot und Nachfrage in dem südamerikanischen Land veröffentlicht: Der Tourismus mit den Sternen wächst – doch auch in der Atacamawüste ist die Dunkelheit in Gefahr.
Zodiakallicht über La Silla

Dass der chilenische Himmel zu den klarsten und dunkelsten der Welt zählt, wissen nicht nur professionelle Astronomen. Längst hat sich ein neuer Industriezweig entwickelt: der Astrotourismus. In touristischen Hotspots, etwa der Oasenstadt San Pedro de Atacama, sind abendliche Sternführungen ein Standardprogrammpunkt für Besucher. Auch professionelle Sternwarten öffnen ihre Tore, wenngleich vor allem tagsüber. Die Bedeutung des Astrotourismus wird von der chilenischen Wirtschaft erkannt: Der vom Staat finanzierte Verband zur Produktionsförderung Corfo hat im vergangenen Jahr das Projekt Astroturismo Chile ins Leben gerufen.

Das Ziel: den chilenischen Astrotourismus fördern und bewerben, um so zu einem weltweit relevanten Akteur auf diesem schnell wachsenden Feld zu werden, erklärt Corfo-Direktor Mauricio Rebolledo. Rund 70 Prozent der weltweiten astronomischen Beobachtungskapazität erdgebundener Observatorien werde sich laut Rebolledo bis 2020 auf sein Land konzentrieren: Das europäische Riesenteleskop E-ELT, das US-amerikanische Giant Magellan Telescope und das Cherenkov Telescope Array zur Beobachtung energiereicher Gammastrahlung sind dabei die Aushängeschilder. Eine Entwicklung, die auch den Astrotourismus ankurbeln soll.

Der Nachthimmel über dem Berg La Silla in Chile

In einer Erhebung hat Astroturismo Chile nun dessen Angebot und Nachfrage untersucht. Demnach sind im Jahr 2014 rund 430 000 Personen einer astronomischen Aktivität nachgegangen – sei es durch den Besuch eines Planetariums, einer öffentlichen oder privaten Forschungssternwarte oder durch die Teilnahme an einer geführten Sternentour. Diese Zahl umfasst auch Schulklassen und andere Gruppen aus dem Inland, die zusammen etwa 72 Prozent dieser Astrotouristen ausmachten.

Das astrotouristische Angebot Chiles wurde hier in einer interaktiven Karte zusammengetragen: Wie erwartet konzentrieren sich die meisten astrotouristischen Touranbieter sowie wissenschaftliche und touristische Sternwarten auf den trockenen und mit vielen klaren Nächten gesegneten Norden des Landes. Aber auch die Hauptstadt Santiago bietet viele Angebote für astronomisch interessierte Besucher. Quelle: http://astroturismochile.cl/revelamos-mapa-de-la-oferta-de-astroturismo-nacional/

Das erklärt auch, warum mehr als die Hälfte aller astrotouristischen Aktivitäten in der Metropolregion der Hauptstadt Santiago realisiert wurden – einer Gegend mit hoher Licht- und Luftverschmutzung, die ausländische Touristen eher auf der Durchreise kennen lernen. Unter diesen bildeten mit 17 Prozent die US-Amerikaner die größte Gruppe, gefolgt von den Brasilianern mit 14 und den Deutschen 13 Prozent. Immerhin 23 Prozent der fremden Besucher gaben an, dass ihre Reise nach Chile von der Möglichkeit motiviert war, auch den Sternenhimmel des Landes kennen zu lernen.

Auf der Angebotsseite dominieren laut der Corfo-Erhebung kleine und mittlere Unternehmen den chilenischen Astrotourismus. Hier gibt es verschiedene Anbieter: internationale und nationale Observatorien sowie öffentliche touristische Sternwarten, deren Angebot hiesiger Volkssternwarten ähnelt. Dazu kommen private kommerzielle und nichtkommerzielle Sternwarten, Planetarien, Museen, sowie Hotels und Touranbieter mit astrotouristischem Angebot. Mit 20 beziehungsweise 45 Prozent sind die beiden Letztgenannten die zahlenmäßig stärksten. Rund 85 Prozent der Astrotouristen gaben überdies an, über keine oder höchstens einfache Astronomiekenntnisse zu verfügen. Einerseits bedeutet das, dass Astrotourismus mehr sein kann als eine Nischenindustrie. Andererseits dürfte sich das Angebot auf diese große Gruppe der Gelegenheitsastronomen konzentrieren, während fortgeschrittene Amateurastronomen eher eine Nebenrolle spielen.

Die Entwicklung des Astrotourismusmarkts ist eine außergewöhnliche Gelegenheit für Chile, den Sternenhimmel des Landes zu einer weltweit bekannten Marke zu machen, sagt Loreto Navarrete, die Leiterin des Projekts Astroturismo Chile. Dass ein verstärkter Zustrom von Touristen auch negative Effekte auf ebendiesen Himmel hat, ist indes bekannt: Auch Astrotouristen brauchen Hotels, Geschäfte, Straßen und andere Vergnügungsmöglichkeiten. Und die benötigen Strom – und Licht. Lichtverschmutzung ist sogar in der chilenischen Atacamawüste kein Fremdwort mehr. Der Nachthimmel über besonders frequentierten Regionen, etwa über dem wegen seines Weinanbaus beliebten Valle de Elqui – in dem sich eine große Zahl der Sternwarten befinden –, ist schon lange nicht mehr so ursprünglich dunkel, wie es sich viele Reisende erhoffen. Eine Zunahme des Tourismus kann diese Entwicklung verschärfen.

Das Projekt Astroturismo Chile spricht daher auch die Problematik der Lichtverschmutzung an, so Navarrete. Für die Regionen Antofagasta, Atacama und Coquimbo werden Normen für die Installation von Streulicht vermeidenden Leuchten erarbeitet. Die im August von der International Dark Sky Association erfolgte Ernennung des Gebiets um die US-amerikanische Sternwarte auf dem Cerro Tololo nahe des Valle de Elqui zum International Dark Sky Sanctuary ist ein weiterer wichtiger Schritt. Und noch mehr müssen folgen, damit sich der chilenische Nachthimmel nicht eines Tages, wie heute schon der europäische, am besten im Planetarium bewundern lässt.

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