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News: Chlorierter Spediteur

Manche längst als gesundheitsschädlich entlarvten Umweltgifte zirkulieren hartnäckig durch die globalen Öko-Kreisläufe. Ein Beispiel sind die PCBs - sie sammeln sich verstärkt im hohen Norden des Globus.
Polychlorierte Biphenyle (PCBs) haben eine wechselvolle Karriere hinter sich: Lange dienten sie als universale Alleskönner der chemischen Industrie in unterschiedlichsten Materialien wie Klebstoffen, Dichtungsmassen und Hydraulikflüssigkeiten – bis ihr gesundheitsgefährdendes Potenzial entdeckt und sie aus dem Verkehr gezogen wurden. PCB-verunreinigte Lebensmittel verursachten in Asien Massenvergiftungen mit Chlorakne, Haarausfall und Pigmentstörungen, unter Langzeitwirkung werden die Gefahren fötaler Missbildungen, verringerter Fruchtbarkeit und Krebsentstehung angenommen. Seit 1989 ist der Gebrauch von PCBs in Deutschland verboten.

Das "aus dem Verkehr ziehen" gestaltet sich bei PCBs allerdings recht schwierig: Die Verbindungen gelangten weltweit im Laufe der Jahre in die Umwelt und entpuppten sich dort als außerordentlich hartnäckig, da sie kaum biologisch abgebaut werden. So mischen PCB-Rückstände in allerlei ökologischen Kreisläufen weiter kräftig mit.

Als lipophile Verbindung lagern sich PCBs in fetthaltigem Muskelgewebe ein, gelangen so in die biologischen Nahrungsnetze und konzentrieren sich dabei zunehmend. Gerade in höheren arktischen Breiten finden sich extrem erhöhte PCB-Gehalte im Fettgewebe großer, jagender Säuger am oberen Ende einer Nahrungskette, etwa den Robben – aber auch in der Muttermilch von Inuit-Frauen. Jules Blais von der University of Ottawa und seine Kollegen untersuchten nun die ökologischen Zusammenhänge genauer, die zu der auffälligen PCB-Anreicherung in arktischen Ökosystemen führen.

In Alaska ermittelten die Forscher die PCB-Konzentrationen in den Sedimenten verschiedener großer Süßwasserseen. Dabei fielen ihnen deutliche Unterschiede ins Auge: Während einige Seen erfreulich niedrige PCB-Gehalte aufwiesen, waren andere – etwa der Frazier-See auf den Kodiak-Inseln – ähnlich belastet wie stark verschmutzte Gewässer amerikanischer Industriezentren. Unfreiwilliger Verursacher dieser Gewässerverschmutzung: offenbar Oncorhynchus nerka, der Rotlachs.

Erhöhte PCB-Konzentrationen fanden die Forscher nämlich nur in jenen Seen, die auch als Kinderstube dieser schlankesten aller pazifischen Lachsarten dienen. In diesen Seen verleben junge Rotlachse ihr erstes Lebensjahr, bis sie von dort in die nährstoffreichen Tiefen des pazifischen Ozeans wandern. Im Alter von drei oder vier Jahren kehren sie allerdings wieder zurück, laichen – und sterben. Ihre Kadaver, so ermittelten Blais und Kollegen, düngen dabei die Sedimente der Seen mit allen im Laufe des Ozean-Lebens angesammelten Umweltgiften – wie den PCBs.

Das Muskelgewebe eines gewöhnlichen Rotlachses auf dem Weg zu seinen angestrebten Laichgründen sammelt dabei etwa 160 Mikrogramm PCBs an, ermittelten die Forscher – eine erstaunliche Menge angesichts des durchschnittlich etwa einen Nanogramms PCB pro Liter Ozeanwasser. Die Lachse wären übrigens mit diesen PCB-Mengen immer noch relativ gering belastet und zum Verzehr für fischende Einwohner auch unbedenklich, so Blais. Nur – die durch die lebende PCB-Lachs-Pumpe aufkonzentrierten Umweltgifte in den Sedimenten der Gewässer Alaska sind natürlich Ausgangspunkt eines nächsten Bioakkumulations-Zyklus, ausgehend von Sedimentbewohnern, die ihrerseits gefressen werden. Ein neuer, regional begrenzter Gift-Teufelskreis startet, auf diesmal von Beginn an höherem Konzentrationsniveau. Er wird sich drehen, bis die letzten PCBs zerfallen sind und, hoffentlich mangels Nachschub, aus dem ökologischen Kreislauf verschwinden.

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