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Palmöl: Meinung: Warum der Aufruf zum Nutella-Boykott schadet

Palmöl ist die größte Gefahr für die Regenwälder Südostasiens und Afrikas, und der Konsum sollte verringert werden. Doch Boykottaufrufe gegen Lebensmittel sind kontraproduktiv, meint Daniel Lingenhöhl.
Scheibe Brot mit Nuss-Nougat-Creme

"Wir sollten aufhören, Nutella zu essen", forderte die französische Umweltministerin Ségolène Royal vor wenigen Tagen in einer Fernsehsendung. Der Hersteller Ferrero verwende Palmöl, welches der wichtigste Faktor für die Zerstörung der südostasiatischen Regenwälder sei, so die Politikerin. Die Reaktion folgte prompt in den sozialen Netzwerken: Auf Twitter und Facebook taten Nutellafreunde rasch ihren Unmut kund. Manche wollten gerade deshalb die Nussnougatcreme essen, weil eine Politikerin sie vermeintlich verbieten wolle.

Rasch ruderte Royal deshalb zurück und entschuldigte sich bei Ferrero wie den Konsumenten für ihren Appell. Sie musste damit Erfahrungen machen wie die deutschen Grünen, die vor der letzten Bundestagswahl einen besonderen Punkt in ihr Programm aufnahmen: Sie wollten den so genannten Veggieday zum Standard machen – einen Tag in der Woche sollten Kantinen und Mensen nur vegetarische Speisen anbieten. Zwar wäre eine derartige Vorgabe rechtlich nicht durchsetzbar gewesen und war auch von den Grünen nicht vorgesehen. Doch im Wahlkampf wurde der Partei dieses Vorhaben gewaltig um die Ohren gehauen – die gute Absicht, den hohen Fleischkonsum hier zu Lande zu reduzieren, ging völlig ins Leere. Selbst an und für sich Wohlmeinende zürnten, weil sie nun auch noch eine politische Einmischung auf ihrem Teller fürchteten.

Zerstörung des Regenwaldes | Schweres Gerät beseitigt Regenwald in Malaysia: Hier sollen bald Ölpalmen wachsen.

Das Gleiche gilt für Royals ursprüngliches Ansinnen: Es gibt sehr gute Gründe, den Verbrauch von Palmöl drastisch zu reduzieren und die Produktion des Rohstoffs sehr viel umweltfreundlicher zu gestalten. Auf riesigen Flächen Indonesiens und Malaysias wurde und wird Regenwald zerstört, um Platz für die Palmplantagen zu schaffen. Selbst in Nationalparks werden illegal Bäume gefällt, damit dort Ölpalmen gepflanzt werden können. In den vergangenen 20 Jahren fielen 40 Prozent des verbliebenen Regenwaldes auf Sumatra der Kettensäge zum Opfer, auf Borneo schwand seit 1973 ein Drittel des Waldes – ein großer Teil davon ging jeweils auf das Konto von Ölpalmen. Insgesamt 15 Millionen Hektar Regenwald sollen allein in Indonesien seit 2015 deswegen verschwunden sein! Davon verschont bleiben selbst Torfwälder nicht, die erst entwässert und dann mit Feuer gerodet werden: Der Rauch belastet dann als dichter Smog oft wochenlang die Luft in Singapur oder Kuala Lumpur. Und nachdem die potenziell verfügbaren Flächen in Asien langsam schwinden, richtet die Palmölindustrie ihr Augenmerk nun auf Südamerika und vor allem Afrika, wo ebenfalls oft Regenwald der Baumkultur weichen muss.

Ferrero gehört eigentlich zu den Guten

Doch mit Nutella hat sich die Ministerin nicht nur das falsche Ziel ausgesucht: Ferrero nimmt beispielsweise am – durchaus umstrittenen – Runden Tisch für nachhaltig produziertes Palmöl (RSP0) teil, der unter Mitarbeit von Naturschutzorganisationen Mindeststandards für die Produktion und den Einsatz von Palmöl definieren soll. Darüber hinaus hat sich das italienische Unternehmen selbst verpflichtet, kein Palmöl von Plantagen zu verarbeiten, für die zumindest in der jüngeren Vergangenheit Wälder gerodet wurden, und macht seine Lieferkette transparent. Selbst Greenpeace erkennt diese Bemühungen an.

Der größere Fehler liegt aber ohnehin an anderer Stelle: Statt die Verbraucher mitzunehmen und ihnen zu zeigen, dass es möglich ist, regenwaldfreundlich zu essen, entsteht der Eindruck, die Politikerin wolle die Menschen ihres Landes bevormunden – und ihnen etwas verbieten, das sie gerne konsumieren. Dabei sind diese Konsumenten die schärfste Waffe gegen den Raubbau am Regenwald. Vor nichts fürchten sich Firmen mehr als vor dem Verlust ihres guten Namens. Wenn Käuferinnen und Käufer sich von Produkten abwenden, weil diese einen schlechten Ruf bekommen, wandeln sich Unternehmen schneller, als wenn Boykottaufrufe von oben im leeren Raum verhallen.

Mit Taten sollte sie glänzen

In Brasilien besteht seit Jahren erfolgreich das so genannte Soja-Moratorium: eine Vereinbarung zwischen großen Agrarkonzernen und Umweltorganisationen, nach der kein Soja aus frisch gerodeten Gebieten angekauft wird. Es kam unter anderem zu Stande, weil die eiweißreiche Bohne bei Konsumenten als eine der Hauptursachen der Regenwaldzerstörung am Amazonas gebrandmarkt war und eine entsprechende Herkunft zum Imageschaden wurde. Dieser Vertrag ist einer der wichtigsten Gründe, warum die Abholzung im Amazonasbecken mittlerweile historische Tiefstände erreicht. Weitere Vereinbarungen mit der Leder- und Fleischindustrie folgten. Eine kreative Kampagne von Greenpeace, bei der ein Schokoriegel den Urwald vernichtet und Orang-Utans bedrängt, sorgte dafür, dass sich der Hersteller Nestlé einem neuen Palmöllieferanten zuwandte: Dieser konnte eine bessere Umweltbilanz nachweisen als der bisherige Produzent.

Dabei gäbe es gute Möglichkeiten, wie Ségolène Royal rasch den Verbrauch von Palmöl senken könnte. So plant der französische Mineralölkonzern Total, seine Raffinerie in La Mède umzurüsten, damit sie zukünftig auch Palmöl in großen Mengen zu Biodiesel umwandeln kann: Treibstoff, mit dem Vorgaben der Europäischen Union erfüllt werden sollen. Bis 2020 möchte die EU, dass zehn Prozent des Kraftstoffverbrauchs auf biologische Rohstoffe entfallen – darunter natürlich auch Palmöl. Hier könnte Ségolène Royal also relativ schnell relativ viel bewegen, ohne gleich den Volkszorn zu wecken, indem sie diese Quote endlich senkt und ein Veto gegen Totals Palmölpläne einlegt.

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