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Intensivmedizin: Die Ursache von Schock und Multiorganversagen

Geschädigter Darm

In der Notfallmedizin kann ein durch Blutverlust oder Infektionen ausgelöster Schock lebensbedrohliche Krisen für Patienten einleiten: Es folgt eine Sepsis, die den Organismus in einer Art überschießender Entzündungsreaktion sich großflächig selbst attackieren lässt; am Ende droht im Extremfall das oft tödliche Multiorganversagen. Noch versteht man allerdings nicht sehr gut, über welche Mechanismen diese Ereigniskette im Organismus eigentlich angestoßen wird. Geert Schmidt-Schönbein von der University of California in San Diego und seine Kollegen vermuteten schon seit Längerem, ein schwaches Glied in der Körperverteidigung ausgemacht zu haben, das bei einem Schock versagt: die Darmbarriere. Nun zeigen sie, dass diese Schwachstelle im OP womöglich verteidigt werden könnte, um ein Überleben der Patienten wahrscheinlicher zu machen.

Geschädigter Darm | Infolge eines Schocks – egal, ob er durch Toxine, Blutverlust oder Bauchfellentzündungen ausgelöst wird – beginnt die Darmwand von Ratten durchlässig zu werden. Dies kann sie durchlöchern, worauf Verdauungsenzyme in den Körper gelangen. Gibt man Blockadeenzyme innerhalb einer Stunde in den Darm, so bleiben schädliche Folgen wie Sepsis und Multiorganversagen aus. Die Behandlung sorgt dafür, dass viel mehr Tiere die kritische Phase überleben.

Die Forscher haben zunächst in Experimenten an Ratten herausgefunden, dass sich ein durch unterschiedliche Ursachen hervorgerufener Schock tatsächlich auf die Durchlässigkeit der Darmwand auswirkt. Offenbar beginnen sich nach einem Schock Verdauungsenzyme aus der Bauchspeicheldrüse durch die Schleimschicht in die Darmzellen zu fressen. Infolge dieser Selbstverdauung wird die Darmwand durchlöchert, wodurch die frei in den Körper gelangenden Enzyme weiteres Unheil anrichten können. Dies sorgt dann für Gegenreaktionen der Körperabwehr, Sepsis und schließlich im Extremfall Multiorganversagen.

In einem weiteren Versuch konnten die Mediziner aber erfolgreiche Gegenmaßnahmen einleiten: Wenn die Tiere nach einem Schock rasch Blockadeenzyme in den Darm injiziert bekamen, die die Verdauungsenzyme neutralisierten, so blieben Sepsis und Multiorganversagen aus. In die Blutbahn gespritzte Enzymhemmer hatten dagegen keine Wirkung: Offenbar muss die Selbstverdauung schon im Darm gestoppt werden. Die Mediziner hoffen, dass ihre an Versuchstieren erfolgreiche Notfallmaßnahme auch im OP-Einsatz anschlägt. Tatsächlich gibt es bereits für den Menschen als Medikament zugelassene Pankreasenzym-Inhibitoren; und eine klinische Phase-2-Studie läuft gerade an, bei der die Wirksamkeit der Blockadeenzyme gegen Schockfolgen an Patienten getestet wird.

Sind Verdauungsenzyme Schuld am Schock im OP?

Wieso ein Schock gerade die Darmwand angreift, ist weiterhin nicht vollständig bekannt. Im Experiment zeigte sich, dass nicht nur ein Volumenmangelschock, der durch plötzlichen Blutverlust ausgelöst wird, sondern auch ein durch Giftinjektion oder induzierte Bauchfellentzündung hervorgerufener Schock die Pankreasenzyme aus dem Ruder laufen lässt und so die Darmbarriere schädigt. Dabei waren die Folgen des Kreislaufschocks schon bekannt – hier ist offenbar die mangelnde Blut- und Sauerstoffversorgung des Darmgewebes verantwortlich für den Ausfall der Barrierefunktion.

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  • Quellen
Sci. Trans. Med. 5, 169ra11, 2013

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