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News: Der Eisendieb

Um zu gedeihen, braucht das gefährliche Bakterium Staphylococcus aureus Eisen. Doch woher nehmen, wenn es im Wirt auf eine eher eisenarme Umgebung trifft? Es stibitzt das Metall kurzerhand aus den roten Blutkörperchen, die reichlich Eisen besitzen.
Eigentlich ist der menschliche Körper für das Bakterium Staphylococcus aureus eine sehr unwohnliche Umgebung, die es eher meiden statt suchen sollte. Denn um prächtig gedeihen zu können, benötigt der Krankheitskeim Eisen. Doch davon findet er in seinen Wirten nur wenig.

Zu wenig, wie Staphylococcus meint. Und so bereichert sich das Bakterium mithilfe eines findigen Tricks an einem eigentlich verborgenen Reservoir: den roten Blutkörperchen. Denn diese Zellen, die nicht einmal einen Zellkern besitzen, haben reichlich Eisen als Bestandteil des Proteins Hämoglobin, mit dem sie Sauerstoff binden und so quer durch den Körper transportieren.

Um an die Eisenvorräte zu gelangen, setzt Staphylococcus eine ganze Proteinfamilie mit sechs Mitgliedern ein, die alle eine spezifische Funktion beim Eisenklau innehaben. Zuerst bohrt das Bakterium mit dem Protein Hämolysin ein Loch in die äußere Membran des roten Blutkörperchens. Nun beginnen die Proteine auf der Zelloberfläche, deren Herstellung durch das Eisenangebot reguliert wird, ihre Arbeit.

Als erstes bindet das Protein IsdB an den freigesetzten Sauerstofftransporteur Hämoglobin. Zusammen mit seinem Geschwister IsdA entreißt es ihm die vier eisenhaltigen Hämgruppen und transportiert diese anschließend zum dritten im Bunde, dem IsdC, das sich strategisch günstig in der bakteriellen Zellmembran positioniert hat. Ihm eilen nun IsdD, IsdE und IsdF zur Hilfe und ziehen die Hämgruppen gemeinsam durch die starre Zellwand ins Cytoplasma von Staphylococcus aureus.

Als letztes Familienmitglied beteiligt sich IsdG am Eisenraub und entringt den Hämgruppen schlussendlich das wertvolle Metall. Wie wichtig die sechsköpfige Proteinfamilie für das Überleben des Bakteriums ist, konnten Olaf Schneewind und seine Kollegen von der University of Chicago ebenfalls zeigen. Fehlen in einer eisenarmen Umgebung die Proteinfamilie oder die zu ihrer Positionierung nötigen Proteine Sortase A und B, können die Krankheitserreger nicht wachsen, sondern sterben ab.

"Es ist ein wunderschönes System," begeistert sich Schneewind für den bakteriellen Eisenraub. "Ein kompletter und sehr eleganter Signalweg." Die Methode scheint so ausgefeilt zu sein, dass nicht nur Staphylococcus auf sie zurückgreift. Wie die Zellbiologen herausfanden, nutzen sowohl der Milzbranderreger Bacillus anthracis als auch Listerien dieselbe Vorgehensweise.

Dem Menschen hingegen ist ein solches System völlig unbekannt. Deshalb könnten hier besonders wirksame Medikamente gegen die hoch gefährlichen Pathogene ansetzen. Im Kampf gegen Staphylococcus ist dies auch dringend nötig, da seine Widerstandskraft wächst und wächst. Mit Antibiotika ist dem Keim mittlerweile kaum noch beizukommen. Letztes Jahr berichtete das Center for Disease Control von zwei Fällen, in denen selbst die letzte Waffe, das Antibiotikum Vancomycin, nichts mehr ausrichten konnte.

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