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Evolution: Der entscheidende Hüftschwung

Nachdem ein Verwandter der Quastenflosser aufs Trockene gekrochen und zum Landbewohner geworden war, ging später ein Paarhufer wieder ins Wasser und entwickelte sich zum Wal. So weit die Geschichte im Zeitraffer. Paläontologen sehen aber etwas genauer hin und schreiben jetzt ein neues Kapitel.
Fluke
Zumeist mit großen, massigen Körpern, trotzdem elegant und stromlinienförmig, so kommen heutige Wale daher. Ein paar Schläge mit ihrer waagerechten Schwanzflosse, der Fluke, und sie erreichen Dauergeschwindigkeiten von bis zu 25 Kilometer in der Stunde. Ihre Rückenflosse, die Finne, wie auch die vorderen seitlichen Flossen dienen dagegen nur zur Stabilisation.

Nun sind Wale Säugetiere und Flossen kein Merkmal ihrer Vorfahren, die als pflanzenfressende Paarhufer vor 60 bis 50 Millionen Jahren an den Ufern von Flüssen umherstreiften. Wann und wie hatten sie Fluke und Co also entwickelt? Mark Uhlen vom Alabama Museum of History erklärt: "Wir wissen, dass die ersten Wale vier Füße hatten. Wir wissen auch, dass spätere Wale Schwanzflossen hatten, allerdings war unbekannt, wann die ersten Flossen entstanden."

So hatte der vor etwa 47 Millionen Jahren lebende Rodhocetus noch vier Beine, mit denen er sich paddelnd fortbewegte. Wie 2000 in Pakistan gefundene Fossilien zeigen, war sein Becken bereits mit der Wirbelsäule verschmolzen, bei seinem relativ mickrigen Steißbeinfortsatz konnte von einer Schwanzflosse allerdings keine Rede sein. Funde des vor ungefähr 41 bis 35 Millionen Jahren durch die Meere ziehenden Basilosaurus weisen dagegen bereits eine ausgeprägte, waagerechte Fluke auf – wie auch heutige Wale sie noch haben – und nur noch verkümmerte Gliedmaßen.

Uhlen untersuchte nun in Alabama und Mississippi neu gefundene Wal-Fossilien der Spezies Georgiatus vogtlensis, die zeitlich zwischen den beiden obigen Walvorfahren angesiedelt sind. An den bisher unbekannten Knochen erkenne man genau, dass diesem zwar eine Schwanzflosse noch fehlte, er aber bereits erste Schwanzwirbel aufwies.

Evolution der Wale | Allein von der Bewegung her unterschied sich der Georgiatus vogtlensis wohl schon nicht mehr von heutigen Walen, allerdings nahm er zur Beschleunigung seine Hinterbeine – mangels Fluke.
Daneben befand sich unter den gefundenen Überresten auch ein Hüftknochen und Knochen, die zeigen, dass er zugleich riesige Füße an den Hinterbeinen hatte. Daraus schlussfolgert Uhlen, dass die Entwicklung der Schwanzflosse gar nicht entscheidend, sondern auf dem Weg hin zum perfekten Schwimmer ein anderer Schritt viel wichtiger war.

Denn Säugetiere ganz allgemein nutzen zum Schwimmen eine große Bandbreite unterschiedlicher Techniken, im Besonderen aber fünf klar definierte Methoden: vierfüßig paddeln, allein mit den Hinterbeinen paddeln, Wellenbewegung der Hüften, Wellenbewegung des Schwanzes und Hin- und Herschwingen mit dem Schwanz. Bisher nahm man an, dass innerhalb der Walevolution alle diese Methoden der Reihe nach aufgetreten sind, die Wellenbewegung der Hüfte allerdings ausgelassen wurde.

Die neuen Entdeckungen zeigen aber, dass genau das Gegenteil der Fall war, so ist Uhlen überzeugt: "Hüftwackeln war der entscheidende Schritt in der Evolution unter Wasser schwimmender Wale." Die Fluke sei nur dazu da, diese Bewegung effizienter zu gestalten. Und sorgt auch noch für einen eleganten Eindruck.

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  • Quellen
Uhlen, M: New protocetid whales from alabama and mississippi, and a new cetacean Clade, pelagiceti. In: Journal of Vertebrate Paleontology 28, S. 589–593, 2008.

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