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News: Der Hauch des Sonnenwindes

Irgendetwas hat gefehlt am 11. Mai, etwas war anders an diesem Tag... Und tatsächlich - es hing mit dem Sonnenwind zusammen. Dieser sonst so verläßliche Sturm hochenergetischer Teilchen war 1999 Mitte Mai nichts weiter als ein zarter Hauch. Es ging ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Puste aus. Nicht ohne Folgen natürlich, denn wenn er da ist, hält der Sonnenwind die Magnetosphäre der Erde im Zaum. Wie Forscher nun mitteilten, hat diese es natürlich gleich ausgenutzt und ist zu einer Größe angewachsen, die dem 100fachen ihres normalen Umfanges entspricht und hatte damit fast den Mond erreicht.
Die geladenen Teilchen im Sonnenwind sind vorwiegend Elektronen und Protonen und stammen aus der Korona der Sonne. Deren Geschwindigkeit liegt im Schnitt bei 1,5 Millionen Kilometern in der Stunde. Wenn die Teilchen auf die Magnetosphäre der Erde treffen, werden die meisten Partikel wieder in den Weltraum zurückgestreut. Nur ein kleiner Teil von ihnen dringt in den Strahlungs-Gürtel der Erde ein und lädt ihn dabei auf. In der Erdatmosphäre sorgen die Partikel für herrliche strahlende Polarlichter.

Am 11. Mai 1999 nahm der Sonnenwind auf nur zwei Prozent seiner normalen Dichte und auf die Hälfte seiner üblichen Geschwindigkeit ab. Das berichteten Daniel Baker und seine Mitarbeiter von der University of Colorado, Boulder, auf einer Tagung der American Geophysical Union, im Dezember 1999 in San Francisco. "Seit Satelliten vor 35 Jahren ihre Messungen über die Sonnenwinde aufgenommen haben, konnte ein solches Ereignis erst wenige Male beobachtet werden", sagte Baker. Die Folgen für die Magnetosphäre waren deutlich. Unter normalen Bedingungen dehnt sie sich in Richtung Sonne ungefähr 65 000 Kilometer in den Weltraum aus. Sie selber ähnelt einem aufgeschnittenen Apfel, dessen runde Seite zur Sonne zeigt und dessen Sonnen-abgewandte Seite zu einem langen Schweif ausgezogen ist. Durch den fehlenden Sonnenwind betrug die Ausdehnung der Magnetosphäre am 11. Mai nicht weniger als 375 000 Kilometer, und sie erreichte damit fast die Umlaufbahn des Mondes.

Der Strahlungs-Gürtel um die Erde wurde während dieses Ereignisses deutlich symmetrischer und verlor seinen kometenartigen Schweif. Und obwohl Energiedichte und Geschwindigkeit des Sonnenwindes einen Tag später wieder ihren normalen Wert erreicht hatten, sank die Dichte hochenergetischer Teilchen in der Magnetosphäre weiter ab und blieb auch in der Folgezeit sehr gering, meinte Baker. Allerdings trat trotz dieser Umstände eine große Teilchenzahl über dem Nordpol in die Erdatmosphäre ein. Dieser sehr selten auftretende "polaren Regen" erzeugte einen hell leuchtenden Fleck über der nördlichen Polkappe. "Als wir diesen Strom gesehen haben, blickten wir direkt ins Herz des solaren Beschleunigungs-Mechanismus", meinte Jack Scutter von der University of Iowa in Iowa City. Die Wissenschaftler vermuten, daß so viele Teilchen in die Erdatmosphäre eingetreten sind, weil sie wegen der geringen Dichte des Stromes nicht miteinander wechselwirken konnten und daher auch nicht so stark gestreut wurden.

Die Forscher rätseln noch, welche Umstände zum Nachlassen des Sonnenwindes geführt haben könnten. "Möglicherweise hat sich am Rand der Sonne eine große Vakuumblase gebildet, die dann Richtung Erde getrieben wurde", meint Baker. Während sich die Form und die Dichte der geladenen Teilchen in der Magnetosphäre nach zwei Monaten wieder normalisiert hat, beschäftigt dieses Phänomen weiterhin die Wissenschaft. "Ich denke, daß uns gerade solche seltenen Ereignisse helfen können, die Vorgänge in der Magnetosphäre besser zu verstehen", sagte Baker.

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