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News: Der Sprung über die Artgrenze

Können sie es oder können sie es nicht? Nicht erst seit BSE in Fleischtheken herumgeistert, streiten sich die Wissenschaftler, ob - und wenn ja, wie - Prionen von einer Art zur nächsten springen und infektiös werden können. Jetzt haben Wissenschaftler ein Mischprion aus zwei Hefestämmen zusammengebaut. Und diese Chimäre kann es: Bei beiden Arten verwandelt es arteigene Prionproteine in die infektiöse Form.
Die meisten Wissenschaftler sind heute davon überzeugt, dass Prionen die alleinigen Auslöser des Rinderwahnsinns BSE oder der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit sind. Sie gehen davon aus, dass die krankheitsauslösende Form des Prionenproteins PrPSc die Konformation – also die räumliche Gestalt – des normalen Proteins PrPC in PrPSc umwandelt. Dieses kann dann wieder weitere PrPC-Proteine verwandeln – eine tödlich endende Kettenreaktion.

Auch wenn damit die Vorstellung, ein Protein könne sich ohne Nucleinsäuren vermehren, weitgehend akzeptiert ist, bleiben einige Wissenschaftler immer noch skeptisch. Sie stützen sich dabei im Wesentlichen auf ein Argument: Obwohl die Gene der Prionen auch unter verschiedenen Arten sehr ähnlich sind, gibt es verschiedene Stämme, die unterschiedlich infektiös sind. Dies spricht eher, so die Skeptiker, für verschiedene, bisher noch nicht entdeckte Virenstämme, welche die Krankheit auslösen. Die Verfechter der Prionen-Hypothese vermuten dagegen, dass das krankheitsauslösende Protein in verschiedenen Konformationen mit unterschiedlicher Infektiösität vorliegt.

Doch die Anhänger der Prionen-Hypothese müssen sich mit einer weiteren harten Nuss herumplagen: Wenn BSE die Ursache der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ist, dann müssen Prionen die Artschranke vom Rind zum Menschen überwinden können. Aber im Labor sträuben sich Prionen hartnäckig, über Artbarrieren zu springen. So auch bei den beiden Hefearten Saccharomyces cerevisiae und Candida albicans: Hier gibt es ein Protein namens Sup35, das prionenartiges Verhalten zeigen kann – allerdings ohne tödliche Konsequenzen für den Pilz. Dabei bildet Sup35 sich selbst vermehrende Fasern, welche die normale Proteinform in die Prionenform umwandeln. Dies geschieht jedoch nur innerhalb einer Art; eine gegenseitige Infektion zwischen den beiden Pilzarten funktioniert nicht.

Um diese Artgrenze auszutricksen, bauten Peter Chien und Jonathan Weissman vom Howard Hughes Medical Institute der University of California in San Francisco aus den Sup35-Proteinen der beiden Hefearten ein Hybridprion, zusammengesetzt aus jeweils einem Abschnitt von Saccharomyces cerevisiae sowie Candida albicans. Dann ließen die Forscher ihr künstliches Chimären-Protein auf die Sup35-Proteine der beiden Arten los.

"Wir fanden heraus, dass diese Chimäre promiskuitiv ist", erzählt Weissman. "Das heißt, es konnte von beiden Hefearten in die Prionenform umgewandelt werden und so die Artbarriere überschreiten." Doch die Wissenschaftler waren noch viel überraschter, als sie entdeckten, dass ihre Chimäre, einmal in einer Hefeart etabliert, nur noch für diese infektiös war und nicht für die andere Art.

Weissman und Chien glauben, dass jeweils nur eine bestimmte Konformation des Prions für eine Hefeart infektiös ist. Das Chimären-Prion ist jedoch in der Lage, beide Konformationen einzunehmen und kann deshalb die Artschranke überwinden. Das erklärt auch die unterschiedlich infektiösen Prionenstämme. Die beiden Forscher gehen davon aus, dass Artbarriere und Prionenstämme zwei Seiten einer Medaille sind: Durch die Aminoäuresequenz eines Prions ist das Spektrum der möglichen Konformationen und damit von unterschiedlichen Stämmen festgelegt. Ein bestimmter Stamm kann wiederum nur die Art infizieren, die für diese Konformation kompatibel ist.

Ihr Ergebnis hat, laut Weissman, eine beunruhigende Konsequenz: "Wir können uns nicht damit trösten, dass das Rinder-Prion eine andere Sequenz als das menschliche Prion hat, denn sobald das Rinder-Prion eine für den Menschen ansteckende Konformation einnimmt, wird es durch die Artbarriere nicht mehr aufgehalten." Eine Einschätzung, die von Susan Liebman von der University of Illinois in Chicago geteilt wird: "Es ist an der Zeit, die bestürzende Möglichkeit zu bedenken, dass gewisse Rinder-Prion-Formen eine ausgeprägte Fähigkeit besitzen, die Artbarriere zum Menschen zu überschreiten."

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