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Sonnensystem: Der Ursprung des Sonnenwindes

Nicht nur Licht spendet die Sonne - sie schleudert auch große Mengen geladener Teilchen in den Weltraum. Auf die schönste Weise erscheint dieser Sonnenwind, wenn er Kometen mit leuchtenden Schweifen versieht. Am bedrohlichsten wird er als Sonnensturm, der Satelliten und Raumfahrer gefährdet. Jetzt endlich haben Astronomen gefunden, wo auf der Sonne die Teilchen ihre Reise starten.
Sonne
Es gibt Typen, die nehmen irgendwie von selbst ab – unsere Sonne gehört dazu. Alleine durch die Kernfusion in ihrem Inneren verliert sie gemäß Einsteins berühmtester Formel – E=mc2 – rund 4,3 Millionen Tonnen Masse, pro Sekunde natürlich. Und eine weitere Million Tonnen schießt sie in der gleichen Zeit als geladene Teilchen in den Weltraum.

Den größten Teil dieses so genannten Sonnenwindes machen Protonen und Elektronen aus, aber fast das gesamte Periodensystem ist darin zu finden. Eines Großteils oder gar aller ihrer Elektronen beraubt, schießen die Kerne entlang magnetischer Feldlinien davon und füllen den gar nicht so leeren Raum unseres Sonnensystems mit ihrem dünnen Gas. Erst weit draußen, jenseits der Bahn des Planeten Pluto, schwindet ihr Einfluss: Dort stoßen sie auf die kosmische Strahlung. Die Übergangsregion wird als eine der Grenzen des Sonnensystems angesehen.

Das Leben auf der Erde hat Glück, dass es von diesem Wind der Teilchen kaum direkt etwas merkt, denn sensible Biomoleküle vertragen energiereiche Ionen nur in geringen Dosen. Mit ihrer verändernden und mutagenen Wirkung haben die Teilchen zwar womöglich für eine hinreichend schnell fortschreitende Evolution gesorgt, doch für das einzelne Wesen bringen sie selten Segen, viel häufiger Übelkeit, Krankheit und in schweren Fällen sogar den Tod. Auf der Erde schützt das Magnetfeld vor diesen Folgen, der raumfahrende Mensch muss dagegen selbst für seine Deckung sorgen. Kein Wunder also, wenn Astronomen seit Jahren intensiv nach der Quelle des Sonnenwindes suchen.

Die Aufgabe ist jedoch keineswegs einfach. Selbst mit modernen Sonnenteleskopen oder Beobachtungssatelliten wie dem Solar and Heliospheric Observatory (SOHO) liefert ein Blick auf die Sonne immer nur ein flaches Bild. Alles, was in den verschiedenen Schichten der Atmosphäre des Sterns stattfindet, sehen wir auf eine zweidimensionale Ebene projiziert, die räumliche Information ist verloren. So wusste man zwar, dass der Sonnenwind im Bereich so genannter koronaler Löcher startet, allerdings nicht, in welcher Tiefe er entspringt.

Manche Modelle siedelten den Ursprung in der Chromosphäre an – nach der Fotosphäre die niedrigste Schicht der Sonnenatmosphäre –, andere vermuteten ihn in der weiter außen liegenden Korona oder in der Übergangszone zwischen diesen Regionen. Ein Team Wissenschaftler um Chuan-Yi Tu von der Universität Peking, zu dem auch Klaus Wilhelm vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung gehörte, hat nun womöglich die Quellen des Stroms entdeckt.

Die Astronomen kombinierten verschiedene Daten miteinander, um eine dreidimensionale Karte der Sonnenatmosphäre zu erstellen. Grundlage waren Magnetogramme, in denen der Verlauf magnetischer Felder verzeichnet ist. In dieses räumliche Gerüst bauten sie Geschwindigkeitsmessungen unterschiedlicher Ionen ein.

Bei ihrer Bewegung in Blickrichtung der Instrumente von SOHO verschob sich das Emissionsspektrum der Ionen durch den Dopplereffekt in den kurzwelligeren Bereich, wenn sie auf den Satelliten zuflogen, beziehungsweise in längerwellige Richtung, wenn sie sich entfernten. Durch die Wahl der drei Ionen Si+, C3+ und Ne7+, die alle in verschiedenen Höhenlagen der Sonnenatmosphäre gebildet werden, konnten so die Abläufe in der Chromosphäre und der Korona verfolgt werden.

Quellen des Sonnenwindes | Gewaltige, nach oben offene Trichter von nicht geschlossenen magnetischen Feldlinien sind der Ursprungsort des energiereichen Teilchenstroms des Sonnenwindes.
Es ergab sich ein Bild gewaltiger, nach oben offener Trichter von nicht geschlossenen magnetischen Feldlinien, die in das Weltall zeigen. In ihren unteren Regionen werden sie durch umgebende magnetische Schleifen daran gehindert, sich auszudehnen, und dadurch in Form gehalten. Mit ihren Füßen stehen die Schleifen in Kontakt zu Plasmaströmen in der Fotosphäre, die sich ständig bewegen. Dadurch wird kinetische Energie als magnetische Energie in die Schleifen transportiert und in ihnen gespeichert.

Verbindet sich eine Schleife irgendwann mit einem offenen Trichter, übergibt sie dabei nicht nur ihre Energie, sondern es strömt auch das gefangene Plasma aus, das nun nach oben oder unten gelenkt wird. Oberhalb von 5000 Kilometern ist dies der Startpunkt für den Sonnenwind, der schließlich mit Geschwindigkeiten von etwa zehn Kilometern pro Sekunde die Sonne verlässt.

Mit diesem 3-D-Modell haben die Forscher nun eine ziemlich genaue Vorstellung, was auf der Sonne wo vor sich geht. Fehlt für den Trip zum Mars eigentlich nur noch eines: der passende Sonnenschirm gegen die schnellen Teilchen.

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