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Stickstoffkreislauf: Des Rätsels Lösung

Wer in einer stickstoffarmen Umgebung den Nährstoff direkt aus der Luft binden kann, sollte eigentlich im Vorteil sein und sogar die Lebensgemeinschaften dominieren. Für Meere und Seen trifft das zu - nicht aber für Wälder. Des Rätsels Lösung zeigt wieder einmal, dass in der Ökologie eine Wirkung meist mehrere Ursachen hat.
Regenwald in Chiapas
Stickstoff ist das Brot der Pflanzen – ohne diesen Nährstoff gibt es kein Wachsen und Gedeihen. An sich ist er in unserer Umwelt auch reichlich vorhanden: Fast 80 Prozent der Luft bestehen daraus. Doch nur ausgewählte Spezialisten können dieses Angebot nutzen und den Stickstoff direkt in seiner elementaren Form aus der Atmosphäre fixieren. Alle anderen sind darauf angewiesen, ihren Bedarf durch Kooperation mit solchen Experten zu decken oder sich aber die meist zu Ammonium oder Nitrat abgebauten Überreste von toter organischer Substanz einzuverleiben.

Zu jenen Gruppen, die auf Zusammenarbeit setzen, zählen die Fabaceae oder Schmetterlingsblütler, hierzulande bekannt als beliebte untergepflügte Zwischenfrucht-Kräuter, um einen ausgelaugten Boden wieder mit Stickstoff anzureichern. Doch in den Tropen wachsen zahlreiche Arten auch zu Bäumen heran.

Ein Paradoxon, das Ökologen schon lange beschäftigt: Gerade in den mittleren und höheren Breiten ist das Stickstoffangebot der Waldböden meist mager, hier wären die Schmetterlingsblütler als Stickstofffixierer eigentlich klar im Vorteil. In den Tropen hingegen herrscht selten Mangel daran, die Spezialisten haben also keinen erkennbaren Vorteil.

Wo sind die baumhohen Bohnen?

Warum aber wachsen dann bei uns keine baumhohen Erbsen oder Bohnen? Und warum sind ihre baumartigen tropischen Verwandten trotz mannigfaltiger Konkurrenz so weit verbreitet? Benjamin Houlton von der University of California in Davis und seine Kollegen zogen gesammeltes Wissen heran, um das Rätsel zu lösen: Sie durchforsteten zahlreiche Studien nach Hinweisen auf einen Einfluss der Temperatur und des Phosphatangebots auf die Stickstofffixierung.

Denn, so ihre erste Hypothese, die Stickstofffixierung fordert ihrem Nutzer auch einiges an Kosten ab – in der Währung Kohlenstoff – und dürfte, da ein Enzym am Werk ist, auch temperaturabhängig sein. Zum zweiten vermuteten sie, dass die Stickstofffixierer in den Tropen doch einen Vorteil genießen, jedoch nicht direkt durch dessen Bindung für die eigene Nährstoffversorgung, sondern weil sie damit leichter Phosphat aus dem Boden aufnehmen können – und der ist in tropischen Waldböden nun wirklich mager vertreten.

Hintergrund dieser zweiten Hypothese ist, dass die Herstellung der dafür nötigen Enzyme – so genannten Phosphatasen – sehr viel Stickstoff benötigt. Wer hier also klotzen statt kleckern kann, leidet auch keinen Mangel an der Mangelware Phosphat. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass in Böden unter stickstofffixierenden Pflanzen die dreifache Menge an Phosphatasen nachzuweisen ist im Vergleich zu Flächen mit dazu nicht befähigten Arten. Wobei noch nicht geklärt ist, ob die Enzyme nun vorwiegend von den kooperierenden Bakterien, ihren verbündeten Pflanzen oder beiden stammen.

Nitrogenasen mögen es warm

Houlton und seine Kollegen entdeckten unter anderem eine maximale Aktivität der Nitrogenase – des für die Stickstofffixierung zentralen Enzyms – bei 26 Grad Celsius. In kühleren Regionen liegt die Ausbeute bei selber Enzymmenge also deutlich geringer, oder anders gesagt: Für denselben Ertrag müsste weit mehr Nitrogenase aktiv werden. Und das kostet. In den gemäßigten und höheren Breiten empfiehlt sich daher die energieärmere Aufnahme aus dem Boden.

Als Probe aufs Exempel fütterten die Wissenschaftler ihre Schlussfolgerungen in ein globales biogeochemisches Modell, in dem sie Kosten und Nutzen der Aufnahme von Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor und die Konkurrenz zwischen Stickstofffixierern und Nichtfixierern simulierten. Sie ergänzten noch den begrenzenden Einfluss der Temperatur sowie zwei verschiedene Varianten der Phosphataufnahme durch Phosphatasen: Im einen Fall profitierten alle Anwesenden von dem zusätzlich verfügbar gemachten Nährstoff, im anderen Fall genossen die investierenden Stickstofffixierer einen Vorteil.

Die entstehende Verbreitungskarte spiegelt verblüffend gut die tatsächlichen Verhältnisse wider: Die Stickstofffixierung durch Bäume ist eine warme Angelegenheit, die in den borealen Wäldern endgültig an ihre Grenzen stößt. Nur in gestörten Flächen – nach Windbruch oder Rodung –, die besonders arm an Stickstoff sind und auf denen sich gerade eine Übergangs-Lebensgemeinschaft aus Pionieren einstellt, haben die Fixierer die Nase vorn. Sie werden jedoch irgendwann wieder von den eigentlichen Waldarten abgelöst, bevor der nächste Windbruch oder die nächste Rodung diesen Kreislauf von Neuem startet.

Die Konkurrenz macht's

Für die tropischen Bäume kristallisierte sich heraus, dass ihnen die Fixierung ausschließlich dann einen Vorteil beschert, wenn sie die Früchte ihrer Investition auch nur selbst ernten dürfen – sie also in der Phosphataufnahme konkurrenzstärker sind. Dann, so die Ergebnisse des Modells, würden diese Pflanzen ein Fünftel bis die Hälfte des Biomassezuwachses in diesen Ökosystemen bestreiten.

Das alles sei aber nur eine erste grobe Lösung des Verbreitungsrätsels, weitere Arbeiten müssten nun die genaueren Details der Angelegenheit klären. Einen Hinweis geben die Forscher noch gesondert: Angesichts der Temperaturempfindlichkeit des Prozesses könnte der Klimawandel den Stickstofffixierern und damit ihrer Verbreitung hilfreich unter die Arme greifen. Erbsen- und Bohnenwälder werden daraus aber wohl kaum entstehen.

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  • Quellen
Houlton, B. Z. et al.: A unifying framework for dinitrogen fixation in the terrestrial biosphere. In: Nature 10.1038/nature07028, 2008.

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