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Angemerkt!: Destruktiver Klimaschutz

Die Zeichen mehren sich: Der Klimawandel ist in vollem Gange und mit all seinen negativen Folgen weltweit spür- wie sichtbar - höchste Zeit also gegenzusteuern. Doch manche Maßnahmen bringen mehr Schaden als Nutzen.
Daniel Lingenhöhl
Zwei Meldungen schreckten diese Woche ums Erdenwohl besorgte Menschen auf. Erst offenbarten Klimaforscher und Mediziner, dass die längst steigenden Temperaturen und sich verändernden Niederschlagsbedingungen Krankheit und Tod begünstigen sowie die Wasserversorgung weiter Regionen gefährden. Dann meldete das Klimasekretariat der Vereinten Nationen, dass entgegen aller Bemühungen à la Kyoto-Protokoll die Treibhausgase nicht nur nicht eingedämmt werden, sondern im Gegenteil kräftig steigen. Und das nicht nur in China oder Indien: Spanien meldet plus 42 Prozent, Österreich plus 17 und Rekordhalter USA auf hohem Niveau weitere 13 Prozent Zuwachs.

Einzig Deutschland (minus 18 Prozent), Großbritannien (minus 13) und Schweden (minus 2) können in dieser Bilanz ein wenig glänzen. Dabei hat sich die Europäische Union ein hehres Ziel gesetzt: Bis 2012 will sie ihre Emissionen um 12 Prozent drosseln – ein Ziel, das sie allem Anschein nach nicht erreichen wird. Maßnahmen zur Eindämmung von Kohlendioxid tun also Not.

Als eine der Lösungen wird der Einsatz von Biodiesel propagiert, der aus stark ölhaltigen Pflanzen wie Raps gewonnen wird. Chemisch aufbereitet lässt er sich wie Diesel aus Mineralöl einsetzen, doch seine Kohlendioxidbilanz ist ausgeglichen: Die Gasmenge, die bei der Verbrennung freigesetzt wird, hat die Pflanze beim Wachstum vorher aufgebraucht. Gesetze sollen deshalb Biokraftstoffe weiter fördern, deren Verbrauch gegenwärtig um ein Viertel jährlich steigt.

In Deutschland bleiben reine Biodiesel auch unter der neuen Großen Koalition von der Mineralölsteuer befreit, zudem werden sie herkömmlichem Diesel beigemengt. Großbritannien möchte bis 2010 einen fünfprozentigen Marktanteil von Biokraftstoffen erzielen und subventioniert dies mit bis zu 20 Pence pro Liter. Ex-Umweltminister Jürgen Trittin jubiliert angesichts dieser Entwicklung. Für ihn wird "der Acker zum Bohrloch des 21. Jahrhunderts" und "der Landwirt zum Energiewirt".

Da jedoch Kosten und Verbrauch des bislang vornehmlich genutzten europäischen Rapsöls rasant steigen, sucht die Branche weltweit nach Alternativen. In ihr Blickfeld rücken Soja aus Brasilien und Palmöl aus Südostasien. Deren Preise ziehen zwar ebenso an – bei Palmöl etwa um zehn Prozent allein im letzten September – und bringen den Exportländern Devisen, aber beide bleiben vorerst immer noch eine relativ billige Alternative.

Alles gut also, das Klima besser geschützt und dabei noch etwas für Dritte Welt getan? Mitnichten: Schon jetzt treiben Soja- und Palmölboom die Regenwaldvernichtung in Südamerika und Asien zu immer neuen Rekorden. Ohne Rücksicht auf die Natur und oft auch die lokale Bevölkerung roden Konzerne immer mehr artenreiche Urwälder, um auf ihnen Monokulturen zu pflanzen. Im "Herzen Borneos" planen indonesische Großunternehmen den Kahlschlag von zwei Millionen Hektar Wald für Ölpalm-Plantagen. Und in Brasilien weichen jedes Jahr mehr als 20 000 Quadratkilometer Regenwald für Sojaäcker – vorwiegend für den hohen Konsum in den USA, Europa und China und bezahlt durch Kredite westlicher Bankhäuser unter wohlwollender Zustimmung der Regierungen.

Wieder einmal scheinen daher die Industrieländer des Nordens vornehmlich durch ihren Konsum verursachte Umweltprobleme auf den Süden abwälzen zu wollen. Mit fatalen Folgen für Menschenrechte – Kleinbauern werden enteignet, indigene Völker vertrieben – und Artenvielfalt. Statt Energiesparen zu fördern oder mehr Forschungsgeld in die Entwicklung wirklich nachhaltiger Energieträger zu investieren, wird eine Waldvernichtung von gigantischen Ausmaßen angeheizt. Selbst die Klimabilanz der gelobten Biokraftstoffe aus Soja und Palmöl ist verheerend: Die zur Flächengewinnung übliche Brandrodung trägt schließlich beträchtlich zum Kohlendioxidanstieg in der Atmosphäre bei.

Bei allem Respekt für die vergleichsweise engagierte Klimapolitik in Teilen Europas zeigt sich doch auch wieder einmal ein kurzsichtiger, undurchdachter Aktionismus wie schon bei der Ausarbeitung des Emissionshandels. Dort konnten sich Firmen etwa Anpflanzungen in Argentinien, Brasilien oder Russland auf ihr Kohlendioxidkonto gutschreiben lassen – allerdings ohne Gewährleistung, dass für diese neuen Forste nicht vorher Urwälder abgeholzt wurden.

Die Politik muss hier schleunigst umsteuern, denn Klimaschutz darf nicht auf Kosten der Natur gehen. Alles andere ist ein Kuhhandel.

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