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Influenza: Die Achillesferse des Grippevirus

Sie verändern ihr Aussehen ständig und entkommen damit immer wieder ihren Häschern: Grippeviren sind von der Immunabwehr nicht zu fassen – oder doch?
Influenzavirus
Jedes Mal ein neues Gesicht, doch dahinter stets der gleiche Feind: Influenzaviren haben die Kunst der Verwandlung perfektioniert. Mit der kontinuierlichen Veränderung ihrer Oberflächenproteine gelingt es ihnen immer wieder aufs Neue, die Fahnder des Immunsystems auszutricksen. Impfstoffe müssen deshalb ständig neu entwickelt werden und sind doch niemals aktuell.

Auf der Suche nach einem Weg, den schlauen Verwirrungsspezialisten dennoch beizukommen, haben Forscher der Harvard Medical School in Boston jetzt einen wichtigen Schritt gemacht. Sie entwickelten therapeutische Antikörper, die gleich 10 der 16 bekannten Influenza-A-Stämme, die häufigsten Erreger der Grippe, eliminieren können – eine bisher unerreichte Zahl. Darunter sind auch die Erreger der gefürchteten Vogelgrippe und der Spanischen Grippe von 1918.

Ihren Erfolg verdanken Wayne Marasco und seine Kollegen einer neuen Herstellungsmethode. Normalerweise greifen Antikörper die außen liegende Seite des Oberflächenproteins Hämagglutinin an. Da die Forscher es aber aus der Membran herauslösten, konnten sie Antikörper finden, die die Unterseite des Proteins angriffen.

Diese Region erwies sich als ein Punkt, an dem das Virus sehr verwundbar ist, weil wichtige Funktionen dort verborgen liegen. Hier verändert das Protein nach dem Andocken an die Zelle normalerweise seine Form und ermöglicht so die Verschmelzung der Virus- mit der Zellmembran. Die neu entwickelten Antikörper blockieren diesen Gestaltwechsel und verhindern so, dass das Virus eindringen kann.

Der Trick trifft die kleinen Bösewichte offenbar unvorbereitet: Sie können diese Region nicht schnell genug mutieren, um dem Angreifer zu entkommen. Jede Veränderung an dieser Stelle hat anscheinend einen Verlust der Funktion des Proteins zur Folge.

Auch bei Influenzastämmen, die nicht auf die neu entwickelten Antikörper ansprechen, gibt es Hoffnung: Ihre Hämagglutininproteine unterscheiden sich zwar von dem der jetzt angreifbaren Gruppe, sind aber untereinander wiederum sehr ähnlich, weshalb die gleiche Strategie bei ihnen funktionieren könnte. Ein Mix aus zwei Antikörpern könnte damit alle bekannten Influenza-A-Stämme abdecken.

Und die neue Universalwaffe ist effizient: Die Forscher testeten ihre Wirksamkeit mit Erfolg an Mäusen, denen sie eine tödliche Dosis Influenza-A-Viren verabreichten. Die Antikörper wirkten – im Gegensatz zu gängigen antiviralen Medikamenten – sogar noch drei Tage nach der Infektion. Weil ihre Herstellung aufwändig und teuer ist, kommen sie allerdings eher als schnelle Hilfe bei neuen Grippeausbrüchen in Frage – als Überbrückung, bis der klassische Impfstoff angepasst werden kann.

Das Wissen um die Achillesferse des Virus könnte aber auch helfen, in Zukunft mit einer ähnlichen Methode neue Impfstoffe zu entwickeln. Anstatt wie bisher abgetötete Viren zur Erkennung zu spritzen, könnte auch dort nur das Oberflächenprotein gegeben werden. Unserem Immunsystem könnte damit beigebracht werden, die Viren trotz ihrer Verwandlungskünste zu entlarven. Ein universaler Grippeimpfstoff, der nicht jedes Jahr erneuert werden muss, rückt damit in den Bereich des Machbaren.

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