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News: Die Chemie stimmt

Kommunikation heißt das Zauberwort einer erfolgreichen Zusammenarbeit. So auch im Ameisenstaat, der sich als perfekt organisierte Gemeinschaft zeigt. Zwei Wissenschaftler haben jetzt die Chemie dieser Kommunikation aufgespürt.
<i>Pogonomyrmex barbatus</i>
Es ist ein einziges Gewusel: Während im Nest die Arbeiterinnen mit aufräumen und Nachwuchs füttern beschäftigt sind, stürmen zahlreiche ihrer Kolleginnen hektisch nach draußen, biegen auf eine der vielen Ausfallstraßen ein, um in der großen weiten Welt – ständig bewacht von wehrhaften Soldatinnen – neue Nahrungsquellen zu erschließen. Gleichzeitig eilen andere, schwer bepackt mit frisch erbeuteten Leckereien, wieder zurück und laden ihre Ware an Ort und Stelle ab. Ein Ameisenstaat präsentiert sich als perfekt organisierte Gemeinschaft, in der jedes Mitglied genau zu wissen scheint, was es zu tun und zu lassen hat.

"Die Frage ist, woher weiß eine Arbeiterin, was sie zu tun hat", erklärt Deborah Gordon, "denn es gibt keinen Verantwortlichen, der ihr das erzählt." Zusammen mit Michael Greene beschäftigt sich die Wissenschaftlerin von der Stanford University schon seit Jahren mit den Geheimnissen des Ameisenstaates. Ihr Objekt der Begierde heißt Pogonomyrmex barbatus, die Rote Ernteameise. Die Tiere leben in den Wüsten von Arizona zu 10 000 bis 12 000 zusammen, "regiert" von einer einzigen Königin, deren Aufgabe sich auf permanentes Eierlegen beschränkt.

Dabei erfüllen die Arbeiterinnen exakt definierte Aufgaben: Vor dem täglichen Ausflug verlässt zunächst eine Patrouille das Nest und überprüft die auswärtige Situation. Erst wenn die Wächterinnen unbehelligt zurückkommen, verlassen die nahrungssuchenden Sammlerinnen das Nest. Ohne dieses "ok" bleiben sie dagegen zu Hause und harren ihrer Dinge. Die patrouillierenden Ameisen kommunizieren also mit ihren Kolleginnen und teilen ihnen ihre Aufgabe mit. Und diese Kommunikation – das war den Forschern schon bekannt – läuft über Chemie.

Greene und Gordon hatten auch schon die Chemikalien in Verdacht, die dahinter stecken könnten: Kohlenwasserstoffketten. Denn auf der Cuticula der Ameisen befinden sich je nach Aufgabe unterschiedliche Kohlenwasserstoffe: Während die draußen tätigen Arbeiterinnen hauptsächlich unverzweigte Alkane aufweisen, zeichnen sich die Tiere, die im kühleren, feuchteren Nest bleiben, durch verzweigte Alkane und Alkene aus.

Um zu überprüfen, ob die Arbeiterinnen tatsächlich auf diese Kohlenwasserstoffe reagieren, tricksten die beiden Forscher ihre Ameisen aus: Sie präsentierten den geduldig wartenden Sammlerinnen winzige Glaskügelchen mit dem Chemie-Cocktail der Patrouille. Mit Erfolg: Sobald die Ameisen den vermeintlichen Geruch ihrer Kolleginnen wahrnahmen, verließen sie schnurstracks das Nest, um ihrer geregelten Arbeit nachzugehen. Glaskugeln, die dagegen nach den Heimarbeiterinnen rochen, ließen die Sammlerinnen kalt.

Im Geruch einer eher langweiligen Chemikalie – Kohlenwasserstoff – liegt also der Schlüssel der Kommunikation. Und vielleicht ließen sich mit ähnlichen Chemikalien auch lästige Gäste aus menschlichen Behausungen vertreiben, spekuliert Greene: "Die Frage lautet doch oft: Wie werde ich diese Ameisen aus meiner Küche wieder los?" Alles eine Frage der Chemie.

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