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Urzeit: Die größten Vögel aller Zeiten

Die größten flugfähigen Vögel starben vor 3 Millionen Jahren aus – nach 50 Millionen Jahren unbestrittener Herrschaft der Lüfte. Aber warum? Und wie konnten sie überhaupt fliegen?
Pelagornis hebt ab

Heute beherbergt das malerische, weite Hafengebiet der geschichtsträchtigen Stadt Charleston in South Carolina eine bunte Vielfalt an Meeresvögeln. In den Flussmündungen fischen Kormorane und Pelikane, auf den vorgelagerten Inseln nisten Möwen und Reiher. Aber vor 25 Millionen Jahren beherrschten hier wahre Ungetüme den Himmel: Vögel mit Schwingen länger als die Flügel mancher Leichtflugzeuge, bewehrt mit großen, von spitzen Zähnen gesäumten Schnäbeln.

Ausgerechnet auf einem Erweiterungsgelände des internationalen Flughafens der Stadt fanden der Paläontologe Al Sanders, damals Kurator am Charleston Museum, und seine Mitarbeiter schon 1983 Fossilien, die nach ihrer Einschätzung eindeutig von einem Riesenvogel stammten. Doch die Wissenschaftler hatten damals anderes zu tun. So wanderten die Fundstücke ins Lager.

Erst 30 Jahre später deckte einer von uns (Ksepka) ihre Bedeutung auf: Es handelte sich dabei um Überreste des größten bisher gefundenen flugfähigen Vogels. Ich benannte ihn nach seinem Entdecker Pelagornis sandersi. Diese neue Spezies gehört zur ausgestorbenen Familie der Pseudozahnvögel oder Pelagornithiden, einer artenreichen, einst weltweit verbreiteten Gruppe sehr großer Seevögel.

Dass diese Vogelfamilie vormals im Luftraum eine herrschende Rolle spielte, wissen Paläontologen seit mehr als 150 Jahren. Doch die wenigen bruchstückhaften Fossilien reichten bisher nicht aus, um sich ein deutliches Bild von ihrer Lebensweise oder gar Flugkunst zu machen. Zudem war unklar, wieso sie überhaupt solche Riesenarten hervorbrachte. Manche dieser Fragen lassen sich nun durch die Untersuchungen an P. sandersi besser beantworten. Die Arbeiten des Zweiten von uns (Habib) zum Flugvermögen anderer kolossaler Vögel trugen dazu erheblich bei.

Nach jüngsten Erkenntnissen erlangten die Pseudozahnvögel bald nach dem Untergang der Dinosaurier Bedeutung – streng genommen sind die Vögel selbst Nachfahren einer Dinosaurierlinie. Gleichzeitig mit den Dinosauriern waren auch die mit ihnen nahe verwandten Flugsaurier (Pterosaurier) ausgestorben, zu denen ebenfalls gigantische Arten zählten. Anscheinend konnten sich die Pseudozahnvögel in einem Teil von deren Lebensraum einrichten. Dabei scheint ihre Größe den Untersuchungen zufolge eine Anpassung an die Nahrungssuche über dem offenen Meer gewesen zu sein. Trotzdem – nach Meinung der Experten hätte es so große flugfähige Vögel aus physikalischen Gründen eigentlich gar nicht geben dürfen!

Als der französische Paläontologe Édouard Lartet 1857 einen knapp 60 Zentimeter langen fossilen Oberarmknochen eines Vogelflügels beschrieb, dachte er an einen urtümlichen Albatros. Er nannte das Tier Pelagornis miocaenus, also schlicht "Meeresvogel aus dem Miozän", das etwa vor 23 bis vor 5,3 Millionen Jahren lag. Mit solchen Flügeln wäre jener Albatros allerdings doppelt so riesig gewesen wie die größeren modernen Arten. Das hielten die Fachleute damals nicht für möglich.

Ein Fossil als Weltkriegsopfer

1873 beschrieb der englische Anatom Richard Owen, einer der bedeutendsten Vogelexperten seiner Zeit, den merkwürdigen Schädel eines anderen Riesenvogels, den er Odontopteryx toliapica nannte und keiner lebenden Vogelgruppe zuzuordnen vermochte. Es schien sich vielmehr um einen Vertreter einer bisher übersehenen, erst jetzt erkannten eigenen Gruppe sehr großer Arten zu handeln. Später zeigten neue vollständigere Fossilien von Pelagornis miocaenus, dass der erwähnte Oberarmknochen von ebendiesen Vögeln stammt.

Nach und nach tauchten mehr Fossilien dieser Gruppe auf, und einige verschwanden auch wieder. Einen besonders gut erhaltenen Schädel, der möglicherweise aus dem Nordseegebiet kam, hatte die Universität Königsberg einem brasilianischen Seemann abgekauft. Er gehörte offenbar zu einer neuen Art, die 1910 Pseudodontornis longirostris getauft wurde. Doch der Schädel ging in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verloren, in dem Königsberg zerstört wurde.

In den nächsten Jahrzehnten entdeckten "Fossilienjäger" weitere Arten. Hierzu zählen Pelagornis orri aus Kalifornien und Pelagornis chilensis aus Chile. Dabei wurden endlich zusammengehörige Skelettteile gefunden. An ihnen konnten sich Forscher nun allmählich an das Aussehen dieser Riesenvögel herantasten und daraus auf ihre Lebensweise schließen. Was dabei herauskam, widersprach jeder Vorstellung – zuvorderst der lange und recht dicke zahnbewehrte Schnabel.

Der Urvogel Archaeopteryx, der vor rund 150 Millionen Jahren zur Zeit der Dinosaurier lebte, trug noch "richtige" Zähne in den Kiefern. Doch schon vor dem Untergang der Riesenreptilien vor rund 65 Millionen Jahren bildeten die Vögel keine Zähne mehr aus. Aber die Pelagornithiden entwickelten einen Ersatz: Statt echter im Kiefer verwurzelter Zähne aus Zahnschmelz und Dentin wuchs bei ihnen entlang des Schnabelrands direkt aus den oberen und unteren Kieferknochen je eine lange Reihe hohler Spitzen. Diese Schein- oder Pseudozähne waren verschieden groß und in einem regelmäßigen Muster arrangiert. Vor und hinter jedem großen spitzkegelförmigen Zahn saß jeweils eine kurze "Nadel". Und immer zwei solche kleinen Nadeln bildeten zusammen mit einem halblangen, dünnen Zahn in der Mitte einen Dreierpack zwischen zwei der großen Kegelzähne. Die Pseudozähne dürften wie der Schnabel moderner Vögel von einer dünnen Hornschicht überzogen gewesen sein und halfen wohl mindestens beim Packen von Beute.

Pelagornis hebt ab | Segelnde Vögel mit Flügelspannen von bis zu etwa sieben Metern machten im Tertiär weltweit die Meeresgebiete unsicher.

Der Schnabel war zugleich bemerkenswert beweglich, vermutlich um große Beutetiere zu fassen. So ermöglichte ein kräftiges Gelenk am Ansatz des Oberschnabels, ihn hochzuklappen. Beim Unterschnabel waren die beiden Kieferhälften vorn nicht zusammengewachsen, sondern über ein dehnbares Gelenk verbunden. Auch das Kiefergelenk spricht dafür, dass diese Vögel ihren Schnabel zum Beutefang weit öffnen und seitlich dehnen konnten.

Selbst ihr Körperskelett war unter Vögeln einzigartig. Sie besaßen dermaßen abgeflachte Flügelknochen, dass manche Paläontologen bei Skelettrekonstruktionen die Ellbogenseite des Oberarmknochens irrtümlich an der Schulter anbrachten. Hohlknochen sind zwar für alle flugfähigen Vögel charakteristisch, doch die Pseudozahnvögel trieben das auf die Spitze. Sämtliche ihrer Flügelknochen hatten extrem dünne Wände – gerade für große Vögel beim Fliegen eine entscheidende Gewichtsersparnis. Allerdings brechen so leichte Knochen etwa bei Kollisionen eher als stärkere. Ein Fluginvalide war sicherlich dem Tod geweiht, weil er sich kein Futter mehr beschaffen konnte.

Noch am normalsten, zumindest in ihrer Form, wirken die Beinknochen. Gegenüber den Ausmaßen der Flügelknochen erscheinen sie allerdings lächerlich klein. Jedoch waren ihre Wände verstärkt, und auch die gestauchte Form machte sie vermutlich recht kräftig und widerstandsfähig. Man könnte sich vorstellen, dass ein Pseudozahnvogel beim Laufen auf dem Boden wenig elegant aussah – wie viele moderne Seevögel ebenso. Vermutlich musste er aber nur zum Flugstart ein kurzes Stück rennen.

Dass die Pelagornithiden eine höchst ungewöhnliche Gruppe darstellen, stand bereits fest, als 2014 meine (Ksepkas) Arbeit über P. sandersi erschien. Die neue Art aus Charleston stellte dennoch alles bisher Bekannte in den Schatten: Allein der Oberarmknochen maß fast einen Meter. Zuvor hatten Biophysiker als größtmögliche Flügelspannweite eines segelnden Meeresvogels 5,10 Meter berechnet; bei höheren Maßen wäre ein Vogel angeblich zu schwer zum Fliegen. Doch für P. sandersi kalkulierte ich eine Spannweite bei sehr vorsichtiger Schätzung von mindestens 6 Metern. Dass dies ein Vogel war und er tatsächlich fliegen konnte, bezeugen schon allein die Knochen seiner Gliedmaßen und mehr noch deren oft hauchdünne Wände: Die Fossilien musste man mit größter Vorsicht konservieren, damit sie nicht sofort zerfielen. Der ebenfalls erhaltene Schädel mit seinen charakteristischen Scheinzähnen am Schnabel lässt keinen Zweifel daran, dass dieses Tier zu den Pseudozahnvögeln zählte.

Mit den vorzüglichen Fossilien von Charleston und unter Zuhilfenahme von Überresten anderer Pseudozahnvögel lässt sich das Aussehen von Pelargonis sandersi nun im Detail rekonstruieren. Mitsamt Federn muss die Flügelspanne nach meinen Schätzungen zwischen 6,06 und 7,38 Meter betragen haben, abhängig unter anderem von der für die Schwungfedern angenommenen Länge. Bei den heutigen flugfähigen Vögeln hält der Wanderalbatros mit gut 3,20 Metern den Rekord. Die ausgestorbenen, geierähnlichen Teratornithiden, die eine Zeit lang als unübertroffen galten, reichten nach neuen Erkenntnissen selbst mit ihrer größten Spezies, Argentavis magnificus, lange nicht an P. sandersi heran. Nach dem Umfang seiner Beinknochen müsste Letzterer über 20 und könnte vielleicht sogar an die 40 Kilogramm gewogen haben. Das ist zwar erheblich mehr als die etwa acht Kilogramm des Wanderalbatros. Doch der Körper von P. sandersi war im Verhältnis zu den Flügeln klein, ja geradezu zierlich, und der Knochenbau besonders grazil.

Die Flugweise ausgestorbener Tiere zu rekonstruieren, ist heute noch knifflig. Allerdings stehen uns dafür mittlerweile recht ausgeklügelte Analysemethoden zur Verfügung. Wir zogen für unsere Berechnungen sowohl Studien an heutigen Vögeln als auch Gesetzmäßigkeiten der Aerodynamik heran. Angesichts ihrer unglaublich langen Flügel dürften die Pseudozahnvögel vor allem gesegelt sein. Um Auftrieb zu erzeugen, mussten sie also nicht damit schlagen. Stattdessen hielten sie ihre Flügel ausgebreitet und nutzten den Wind oder aufsteigende warme Strömungen. Die heutigen segelnden Vögel verwenden verschiedene Tricks, um sich in der Luft zu halten. Benutzten P. sandersi und seine Verwandtschaft eine dieser Techniken?

Auf unterschiedlichen Schwingen

Geier, darunter die Kondore, besitzen recht breite Flügel im Verhältnis zum Körpergewicht. Je größer die relative Flügelfläche, umso niedriger ist deren so genannte Flächenbelastung, also die Kraft, die eine bestimmte Fläche erfährt. Außerdem können Geier die Federn an den Flügelspitzen auseinanderspreizen und so den Luftwiderstand vermindern. Beides zusammen erlaubt ihnen, über dem Land aufsteigende warme Luftströmungen zu nutzen, um sich in die Höhe zu schrauben und lange oben zu kreisen. Für ihre Art des Segelns benötigen sie nicht so lange Flügel wie Seevögel, was ihnen in felsigem und baumbewachsenem Gelände zugutekommt.

Beutefang mit falschen Zähnen | Die falschen "Zähne" der Pelagornithiden waren hohl und nicht besonders stark. Weiche Tiere zu fangen vermochten die Riesenvögel mit Hilfe der Pseudozähne dennoch. Das Bild zeigt den fast kompletten fossilen Schädel mit Schnabel ihrer größten Art, Pelagornis sandersi, aus verschiedenen Blickwinkeln. Mitsamt Schnabel misst der Kopf in der Länge fast 60 Zentimeter.
Im Original sind die Schädel im Charleston Museum zu betrachten.

Die räuberischen, äußerst wendigen, ebenfalls ziemlich großen Fregattvögel segeln in anderer Weise. Als Seevögel tropischer und subtropischer Zonen nutzen sie die Thermik über dem Meer aus. Dazu sind sie mit schmaleren, spitz auslaufenden Flügeln ausgestattet, deren Gesamtspanne bei manchen Arten fast zweieinhalb Meter beträgt. Sie zählen zu den am leichtesten gebauten lebenden Vögeln, was sich ebenso in der außerordentlich geringen Flächenbelastung der Flügel widerspiegelt. Dadurch können sie in großer Höhe weite Distanzen gleiten, um dann plötzlich hinabzustürzen und dicht an der Wasseroberfläche Beute zu schlagen, zum Beispiel fliegende Fische oder davonspritzende Fischschwärme.

Das Beste von Albatros und Fregattvogel

Völlig anders machen es Albatrosse. Sie besitzen zwar auch sehr lange, schmale, spitz auslaufende Flügel; doch sie sind relativ zur Flügelfläche schwerer als Fregattvögel. Deswegen benötigen sie zum Segeln kräftigen Wind. Nach dem Prinzip des dynamischen Segelflugs nutzen sie Scherwinde über dem Wasser: und zwar gleich gerichtete, aber in einzelnen Höhenschichten verschieden starke Winde. Nahe der Meeresoberfläche stellen sie sich gegen den dort schwächeren Wind, lassen sich von ihm hochtragen und machen dann eine Schleife, so dass der heftigere Wind, der in größerer Höhe herrscht, sie ein weites Stück mitnimmt. Dabei sinken sie langsam wieder tiefer – und der Zyklus beginnt von vorn. Diese Technik des beständigen Auf und Ab vermittelt ihnen genug Energie, sie ohne Flügelschlag schnell weit zu befördern. Ein besenderter Albatros legte 2004 neun Stunden lang ohne Pause durchschnittlich 127 Kilometer stündlich zurück, in dem Fall begünstigt durch einen Sturm von der Antarktis her.

Nach unseren Untersuchungen könnten die Pseudozahnvögel je nach Situation beide letztgenannten Techniken verbunden haben. Dieses Muster findet sich bei heutigen Vögeln nicht. Aerodynamisch betrachtet hatten sie eine hohe Flügelstreckung – was bedeutet: Die Flügel waren sehr lang und schmal. Trotzdem bildeten sie relativ viel Fläche. Dank dessen konnte eine große Art wie P. sandersi bei kräftigem Wind vermutlich ähnlich wie Albatrosse im dynamischen Segelflug Schleifen ziehen und dabei die Windenergie ausnutzen, um zuerst hoch und dann weit getragen zu werden. Und dank der großen Fläche und der hohen Flügelstreckung war dieser Vogel bei ruhiger See zudem fähig, wie Fregattvögel mit wenig Anstrengung tausende Kilometer am Stück zurückzulegen. Für die größten Arten betrug unserer Berechnung zufolge die effizienteste Fluggeschwindigkeit 40 Kilometer pro Stunde. Wahrscheinlich konnte P. sandersi bei Windstille von 45 Metern Flughöhe aus bereits mehr als einen Kilometer weit ohne Flügelschlag gleiten.

Wir vermuten, dass dieser größte aller Flugvögel die meiste Zeit in der Luft zubrachte. Doch mindestens zum Nisten musste er ab und zu landen – und irgendwann wieder auffliegen. Früher glaubten manche Forscher, dass er mit seinen gedrungenen, auffallend kurzen Beinen schlecht starten konnte. Wie erst vollständigere Fossilfunde von Arten wie P. chilensis und P. sandersi zeigten, passten die Beinproportionen der Pelagornithiden jedoch gut zu ihrem ziemlich kompakten Körper. Wie Habibs Analysen dazu, die er auf einem internationalen Paläontologentreffen vorstellte, ergaben, vermochte Pelagornis durchaus kurze Strecken zu rennen, und zwar wohl besonders gut auf dem Wasser. Höchstwahrscheinlich besaßen diese Vögel Schwimmhäute. Die Beinknochen der im Verhältnis zur Flügelfläche nicht allzu schweren Tiere erscheinen immerhin stark genug für eine ausreichend kräftige Bemuskelung, um die nötige Geschwindigkeit zum Abheben zu erreichen. An Land mag P. sandersi eher unbeholfen gelaufen sein, doch auf dem Wasser dürften dem Vogel fantastische Starts gelungen sein.

Größer, als die Physik erlaubt

Warum wurden die Pelagornithiden überhaupt dermaßen riesig? Groß zu sein hat – nicht nur für Vögel – auch Nachteile: Beispielsweise steigt der Futterbedarf, zum Nisten beanspruchen größere Arten oft ausgedehntere Gebiete, und häufig bilden sie nur ziemlich kleine Populationen. Dennoch muss sich ein Gigantismus für verschiedene Flugtiere ausgezahlt haben. Unsere Zeit ohne wirkliche Riesenformen in der Luft ist eher eine Ausnahme, denn in den letzten 120 Millionen Jahren beherrschten meistens irgendwelche von ihnen den Himmel.

Vielflieger

Zu den Vorteilen zählt, dass Langstreckenflüge effizienter werden, weil man für die gleiche Strecke weniger Energie verbraucht als eine kleinere Art. Zudem hat man Zugriff auf größere Beute und kann kleineren Vertretern Nahrung sogar stehlen. Insbesondere hat ein großes Tier weniger Fressfeinde. Besonders in der Luft muss es kaum jemanden fürchten.

Die Flugsaurier oder Pterosaurier beherrschten die Lüfte während des Erdmittelalters viele Millionen Jahre lang. Sie existierten etwa zeitgleich mit den Dinosauriern und starben vor rund 65 Millionen Jahren auch mit ihnen aus. Flugsaurier der Meere erbeuteten wahrscheinlich Fische und verschiedene wirbellose Tiere. Ihr Körperbau weist sie als hervorragende Langstreckenflieger aus. Als diese lange sehr erfolgreiche Tiergruppe unterging, wurden ihre diversen "ökologischen Nischen" sozusagen frei. Eine davon war die der großen Meeressegler.

Ebendiese Rolle ergriffen anscheinend ungefähr zehn Millionen Jahre später die Pseudozahnvögel. Das vermuten Forscher, weil man ihre Fossilien fast nur von Sedimenten ozeanischer Umwelten kennt. Demnach dürften sie hauptsächlich Meerestiere gefressen haben. Ihre Pseudozähne am Schnabelrand waren jedoch lange nicht so stark wie richtige Zähne, so dass sie sich vermutlich bevorzugt an weiches Getier wie Tintenfische und Aale hielten, die sie an der Wasseroberfläche erwischten. Womöglich jagten sie aber auch anderen Vögeln ihre Beute ab. Zumindest tun das manche heutigen großen Meeresvögel regelmäßig. Raubmöven etwa, wie die bussardgroße Skua, drangsalieren andere Vögel so lange in der Luft, bis diese Futter wieder hervorwürgen. Die Pelagornithiden waren in diesem Ökosystem die bei Weitem größten Vögel. Vorstellbar sind sie außerdem als Nesträuber von Küken, ein Verhalten, das von Skuas, Riesensturmvögeln und sogar einigen Pelikanen bekannt ist.

Die Pelagornithiden blieben jedoch nicht die einzigen Riesenvögel des Tertiärs, welche die sozusagen vakanten ökologischen Rollen der Pterosaurier ausfüllten. Vor rund 23 Millionen Jahren kamen die schon erwähnten Teratornithiden hinzu, die erst vor 11 700 Jahren, am Ende des Pleistozäns, ausstarben, also viel später als die Pseudozahnvögel. Sie besaßen allerdings verhältnismäßig kürzere, breitere Flügel und einen schwereren Körper. Vermutlich flogen und jagten sie eher wie Kondore.

Die letzten Pelagornithiden lebten vor etwa drei Millionen Jahren, im Pliozän. Bisher bleibt rätselhaft, warum sie nach 50 Millionen Jahren plötzlich völlig verschwanden. Im Pliozän bildete sich die Landbrücke von Panama zwischen Nord- und Südamerika. Damit änderten sich die Strömungen in Atlantik und Pazifik gravierend. Doch man kann sich schwer vorstellen, wieso ausgerechnet dieses Ereignis und seine Auswirkungen eine erfolgreiche Gruppe ausradieren konnten, die zuvor etliche einschneidende Wandlungen des Klimas, der Meeresströmungen und Tierwelten überstanden hatte.

Waren die Pseudozahnvögel zuletzt womöglich überspezialisiert? Anfangs hatten sie nur die Größe von Albatrossen. Diese kleineren Vertreter verschwanden aber mit der Zeit, und schließlich gab es nur noch riesige Arten. Vielleicht waren jene Giganten viel mehr als kleinere Seevögel an sehr spezielle Ernährungsstrategien und Windverhältnisse angepasst. Ihr Erfolg wäre ihnen dann letztlich zum Verhängnis geworden.

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  • Quellen

Habib, M.: Constraining the Air Giants: Limits on Size in Flying Animals as an Example of Constraint-Based Biomechanical Theories of Form. In: Biological Theory 8, S.245 – 252, 2013

Ksepka, D. T.: Flight Performance of the Largest Volant Bird. In: Proceedings of the National Academy of Sciences USA 111, S. 10624 – 10629, 2014

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