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Intelligenz: Die Kinder und der Krug

Erst Achtjährige lernen besser als Krähen.
Lernen in der Schule

In Äsops Fabel "Die Krähe und der Krug" wirft eine durstige Krähe Steine in einen gefüllten Tonkrug, um den Wasserspiegel so weit anzuheben, dass sie daraus trinken kann. Das Fazit der Geschichte: "Ausdauer und Verstand führen immer zum Ziel." Im realen Leben haben bereits verschiedene Rabenvögel diese Geschichte bewiesen. Nicola Clayton und ihr Team an der University of Cambridge ließen die Krähen nun in Wettstreit mit Kindern treten. Die Ergebnisse zeigen: Erst mit acht Jahren sind die jungen Zweibeiner in der Lage, ihre tierischen Konkurrenten zu überflügeln.

Experiment 1 und 2 | Im ersten Experiment (links) hatten die Kinder eine Röhre mit Wasser und eine mit Sägemehl vor sich. In beiden befand sich ein Objekt, das sie gegen einen Sticker eintauschen konnten. Achtjährige erkannten bereits im ersten Ansatz, dass Murmeln ihnen nur im Fall der Wasserröhre zum Ziel verhalfen, Vierjährige benötigten ein paar Anläufe, verstanden das Prinzip aber dann ebenfalls.

Im zweiten Experiment (rechts) mussten die Kinder erkennen, dass ihnen schwimmende Objekte nicht weiterhelfen, um den Wasserspiegel anzuheben. Wieder waren Achtjährige schnell am Ziel, Vierjährige schafften es auch nach fünf Anläufen nicht, Fünfjährige schon.

Clayton und ihre Kollegen hatten 80 britische Kindergarten- und Grundschulkinder mit denselben Aufgaben konfrontiert, die sie auch mit den Krähen an der Universität durchspielen. Im ersten Experiment standen die Kinder vor zwei Röhren – eine mit Sägemehl, die andere mit Wasser gefüllt – und sollten mit Hilfe von Murmeln an ein jeweils darin liegendes beziehungsweise schwimmendes Objekt kommen, das sie dann gegen einen Sticker eintauschen durften. Im zweiten Experiment galt es zu verstehen, dass Korken anders als Murmeln den Wasserspiegel in einer Röhre nicht anheben. Krähen lernen beides – und auch die Kinder. Allerdings waren erst Achtjährige und noch Ältere in der Lage, dies bereits im ersten Versuch zu stemmen; die Kleineren benötigten mehrere Anläufe, ehe sie Erfolg hatten.

Experiment 3 | Im dritten Experiment verdeckte eine Platte, dass zwei der sichtbaren Röhren verbunden waren – ein Stein auf der richtige Seite also auch den Wasserspiegel in der dünnen Röhre beeinflusste. Rabenvögel sind bei dieser Aufgabe überfordert, und auch bei den Kindern meisterten erst Achtjährige die Herausforderung, jüngere versagten. Den Trick dahinter erkannten sie allerdings nicht.

Beim dritten Experiment versagen die Rabenvögel. Hier stehen drei Röhren (zwei dicke, eine dünne mit der Belohnung) zur Auswahl, deren Boden nicht zu erkennen ist, weil er unter einem Sichtschutz versteckt bleibt. Das Gemeine daran: Die dünne Röhre ist mit einer der dicken zu einem U verbunden, die dritte ist isoliert. Wieder geht es darum, durch das Einwerfen von sinkenden Gegenständen in die dicken Röhren den Wasserspiegel so anzuheben, dass die Belohnung in der dünnen Röhre nach oben getragen wird. Und das funktioniert natürlich nur, wenn das U-Rohr getroffen wird. Für die Krähen unlösbar.

Auch für die Kinder wurde dies zur großen Herausforderung. Und doch gelang es letztlich den Älteren, die Aufgabe zu lösen: Die Achtjährigen schafften es innerhalb von fünf Anläufen, sich auf die richtige Röhre zu beschränken. Dass sich hinter den beobachteten Effekten allerdings ein verstecktes U-Rohr verbarg, hatten sie nicht erkannt, ermittelten die Forscher durch Nachfragen: Vielmehr entschieden die Kinder auf Grund der Beobachtung, dass nur auf einer Seite der Wasserspiegel steigt, auf der anderen aber nicht, eben nur dort Murmeln hineinzuwerfen.

Die Forscher hatten hingegen als Hypothese formuliert, dass die Kinder ähnlich wie die Rabenvögel in Schwierigkeiten geraten sollten: Sie gingen davon aus (und fanden es in Daten auch bestätigt), die Kindern hätten ein grundlegendes Verständnis dafür, dass sich mit sinkenden Objekten ein Wasserspiegel anheben lässt. Das Prinzip kommunizierender Röhren aber dürfte noch unbekannt sein. Die Beobachtung, dass eine Murmel in einer Röhre einen Effekt in der Nachbarröhre hervorruft plus die Erfahrung, dass das nicht für beide Röhren gilt, müsste also verwirren und somit einen Lerneffekt verhindern – wie bei Krähen und Co.

Doch Kinder sind offenbar pragmatisch: In diesem Alter scheinen sie unpassende Ergebnisse schlicht zu ignorieren und sich darauf zu konzentrieren, was sie voran bringt – unbeeindruckt von Überlegungen, ob das nun eigentlich möglich sein kann oder nicht. Ob sie bei mehr Zeit oder mehr Anläufen versucht hätten, den Dingen wirklich auf den Grund zu gehen, bleibt offen. Ebenso wie die Frage, wie viele Erwachsene überhaupt das versteckte Konzept richtig erkannt hätten.

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