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Chemische Kommunikation: Die Luft ist rein

Pflanzen senden Duftstoffe aus, um Insekten anzulocken. Meist wollen sie dann bestäubt werden. Manchmal ist es aber auch ein Hilfeschrei, der jedoch belauscht wird.
Raupe
Die Natur sagt hungrigen Tieren auf vielfältige Weise, wann es Zeit ist, zu Tisch zu gehen. In manchen Fällen ist es einfach der Wechsel zwischen Tag und Nacht: Während sich die einen in der Dämmerung zum Schlafen zurückziehen, werden so manche hungrigen Nachteulen erst so richtig munter.

Auch viele Raupen knabbern nur nächtens an zarten jungen Blättern. Licht aus, so scheint es, signalisiert ihnen: Jetzt ist es sicher. Denn sie entgehen damit, so die verbreitete Annahme, einer raffinierten Abwehrmaßnahme ihres unfreiwilligen Wirtes. Schließlich reagieren viele Pflanzen auf die ungebetenen Gäste mit einer List: Sie verströmen Duftstoffe, um beispielsweise Schlupfwespen anzulocken. Die folgen dem Hilferuf des Grüns nicht etwa, weil sie selbst Appetit auf den Leckerbissen haben, nein: Das Wohl ihres Nachwuchses liegt ihnen am Herzen. Damit die lieben Kleinen gleich an den Fleischtöpfen sitzen, pflanzt das Insekt ihre Eier direkt in die gefräßigen Raupen. Die Untermieter verderben den Blattfressern bald endgültig den Appetit. Für die Pflanze ist damit das Problem gelöst.

Die Duftwolke der Maispflanze variiert allerdings stark. Tagsüber – wenn besonders viele Schlupfwespen unterwegs sind – sendet die Pflanze erheblich mehr Lockstoffe aus als in der Nacht. Sollten diese – oder auch andere Stoffe aus dem chemischen Repertoire der Pflanze – den Raupen vielleich verraten, wann das große Futtern sicher ist? Und nicht die Dämmerung?

Raupe eines Eulenfalters | Die Raupe eines Eulenfalters frisst sich satt an jungen Maisblättern.
Kaori Shiojiri und seine Kollegen von der Universität Kyoto fühlten dafür den Raupen der Asiatischen Reiseule (Mythimna separata) auf den inneren Wecker. Wenn die Tiere wirklich rein nachtaktiv wären, müssten sie sich im Hellen, so der Gedanke der Forscher, in vorbereitete Verstecke zurückziehen. Doch diese Annahme war weit gefehlt: Die gefräßigen Raupen nahmen die Laborkost der Forscher gerne an, und zwar rund um die Uhr – Licht und Dunkel ließen sie völlig unbeeindruckt.

Das änderte sich jedoch, als die Forscher den Raupen lebende Maispflanzen vorsetzten. Ohne dass sich auch nur eine Raupe daran gütlich tat, waren nun bei Licht nach acht Stunden 20 Prozent mehr Larven in ihren Verstecken als zuvor. Im Dunkeln dagegen machten sich ein Drittel mehr Raupen auf Futtersuche. Die Tag-Nacht-Aktivität musste also im Zusammenhang mit den Pflanzen stehen. Dunkelheit allein reichte nicht aus, um die Raupen aus ihrem Unterschlupf zu locken.

Um den reinen Effekt der Ausdünstungen zu messen, trennten die Forscher alle Rahmenbedingungen für die Raupen – also Licht, Dunkelheit, beweidete und unbeweidete Maispflanzen – voneinander. Sie leiteten Luft von raupenfreien oder auch bereits angeknabberten Maispflanzen, die im Dunkeln standen, zu Raupen im Licht und umgekehrt.

Und siehe da, die gefräßigen Tiere ließen sich foppen: Selbst wenn es dunkel – also eigentlich sicher – war, versteckten sich die Tiere, sobald sie die Luft von beleuchteten Maispflanzen umströmte. Besonders stark reagierten die Raupen auf den chemischen Cocktail von lichtexponierten Pflanzen, die bereits von anderen hungrigen Kollegen heimgesucht worden waren.

Nicht Hell und Dunkel sind es also, die den Raupen ihre Nachtaktivität diktieren, sondern die Pflanze selbst spielt den Zeitgeber. Warum auch nicht – die belauschte Duftbotschaft, die tagsüber zusätzlich den gefährlichen Hilferuf enthält, bietet ähnlich verlässliche Hinweise, wann es eine gute und wann eine schlechte Idee ist, das Versteck zu verlassen. Nun wollen die Forscher noch genau herausfinden, auf welche Stoffe Raupen und Schlupfwespen reagieren. Dann könnten sie möglicherweise nicht nur Larven der Asiatischen Reiseule zum Verduften bringen, bevor sie größere Schäden in den Maisfeldern anrichten.

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