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Klimatologie: Die Schattenseite des Flugverkehrs

Auf Satellitenbildern von Europa ist häufig zu sehen, wie schmale Wolkenstreifen der Himmel überziehen. Diese von Flugzeugen verursachten Kondensstreifen tragen zur Erwärmung der Erde bei. Wie stark dieser Effekt ist, haben nun deutsche Forscher berechnet.
Blick auf Kondensstreifen
"Eine Erscheinung, die ich wiederholt zu beobachten Gelegenheit hatte, ist die Kondensation eines Cumulus-Streifen an den Auspuffgasen eines Flugzeugs." Diese erste Dokumentation eines Kondensstreifens schrieb der Physiker Robert Ettenreich 1915 auf, als er an der Südtiroler Front stationiert war. Zu dieser Zeit war das Interesse an den linienförmigen Eiswolken militärischer Natur, denn sie erleichterten die Sichtung von Kampfflugzeugen.

Heute beschäftigen sich Wissenschaftler aus anderen Gründen mit diesen Hinterlassenschaften der Düsenjets: Die zusätzlichen Wolken wirken sich auf den Strahlungshaushalt der Erde aus und beeinflussen damit unser Klima auf zwei Arten. Zum einen wärmen sie die Atmosphäre, da ihre Eiskristalle die Wärmestrahlung der Erde einfangen – der bekannte Treibhauseffekt. Zum anderen kühlen sie den Planeten aber auch, da die helle Bewölkung die Strahlung der Sonne reflektiert und so gar nicht erst tiefer in die Atmosphäre gelangen lässt. Diese beiden Effekte heben sich zum Teil auf, doch insgesamt gehen die Klimatologen nach bisherigem Kenntnisstand davon aus, dass Kondensstreifen die Erdatmosphäre aufheizen.

Im Flug | Kondensstreifenzirren treten häufig in Reiseflughöhe auf, zwischen acht und dreizehn Kilometern Höhe
Seit mehr als zwanzig Jahren versuchen Wissenschaftler deshalb die Klimawirkung des Luftverkehrs mit verschiedensten Klimamodellen zu berechnen. Denn neben den Kondensstreifen ist hier die Emission von Treibhausgasen, Stickoxiden und kleinen Partikeln wie Ruß von Bedeutung, wobei die Flugzeugwolken bisher der am wenigsten bekannte Faktor waren: Es fehlten lange Zeit ausreichend Beobachtungsdaten.

Schwierig zu erfassen

Ein Grund für die Schwierigkeit, die Kondensstreifen zu fassen, liegt in ihrer Natur: Sie bilden sich in etwa acht bis zehn Kilometer Höhe, wenn sich die heißen, wasserdampfhaltigen Flugzeugabgase mit kalter Umgebungsluft mischen, wobei die ebenfalls von den Flugzeugen ausgestoßenen Rußpartikel als Kondensationskeime dienen. Nach kurzer Zeit bilden sich dadurch Eiskristalle in der kalten Atmosphäre. Sie sind häufig bereits an einem sonst wolkenlosen Himmel zu sehen, da sie schon bei höheren Temperaturen als natürliche Wolken entstehen.

Verteilung | Der Strahlungsantrieb der Kondensstreifenzirren zeigt Spitzenwerte in Mitteleuropa und dem Osten der USA – hier wirken sich die künstlich geschaffenen Wolken also am stärksten auf die Erderwärmung aus. Der Bedeckungsgrad durch Kondensstreifenzirren ist in Westeuropa mit zehn Prozent und im Südosten der USA mit sechs Prozent am stärksten ausgeprägt (unten).
In älteren Klimamodellen konnte man bislang nur Kondensstreifen simulieren, die ein bis zwei Stunden existieren und während dieser Zeit ihre linienförmige Struktur behalten. Tatsächlich können sich aber einzelne Kondensstreifen zum Teil über 17 Stunden lang halten – mit entsprechenden Konsequenzen: "Häufig verändern sie ihre Form und werden mit dem Wind in andere Gebiete transportiert. Manche entwickeln sich zu Wolkenbänken von enormer Ausdehnung und sind von natürlichen Eiswolken nicht mehr zu unterscheiden. Die Klimawirkung von Kondensstreifen wurde deshalb in früheren Studien deutlich unterschätzt", erklärt Ulrike Burkhardt. Zusammen mit Bernd Kärcher hat sie am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) eine Methode entwickelt, den gesamten Lebenszyklus dieser menschgemachten Wolkenart – der so genannten Kondensstreifenzirren – zu simulieren.

Phänomen der Nordhalbkugel

Laut ihrer neuesten Studie bedecken Kondensstreifenzirren im globalen Mittel etwa 0,6 Prozent des Himmels – zumeist auf der Nordhemisphäre, da sich der Flugverkehr vornehmlich über Westeuropa, den USA und dem Nordatlantik ballt. Die Forscher haben dabei auch herausgefunden, dass sich in diesen Regionen weniger natürliche Wolken bilden. "Die Kondensstreifenzirren nehmen den anderen Wolken den Wasserdampf weg", so Burkhardt. Der direkt wärmende Einfluss der Flugzeugabgase wird dadurch immerhin um etwa 20 Prozent kompensiert.

Insgesamt stören die ausufernden Hinterlassenschaften der Flugzeuge das Strahlungsgleichgewicht der Erde jedoch neun Mal so stark wie linienförmige Kondensstreifen alleine. Damit machen sie etwa die Hälfte der Klimawirkung des Luftverkehrs aus und werden zu seiner wichtigsten Komponente, wobei Flugzeuge laut dem Weltklimarat IPCC für ungefähr fünf Prozent der gesamten vom Menschen verursachten Erderwärmung verantwortlich sein sollen.

Im Gegensatz zu Kondensstreifenwolken können Treibhausgase allerdings über mehrere Jahre in der Atmosphäre bleiben, wo sie sich im Laufe der Zeit akkumulieren. „Für die Erderwärmung, die ja für Zeiträume von einigen Jahrzehnten berechnet wird, verringert sich deshalb die relative Bedeutung der Kondensstreifenzirren“, sagt Burkhardt. Um die Klimawirkung des Luftverkehrs zumindest auf diesem Gebiet zu vermindern, gibt es verschiedenste Ansätze. Da Kondensstreifen nachts – wenn nur ihr Treibhauseffekt wirkt – stärker wärmen, wurde zum Beispiel schon vorgeschlagen, den Flugverkehr auf den Tag zu legen. Ein nur schwer vorstellbarer und praktisch nicht umzusetzender Vorschlag, dem auch Ulrike Burkhardt skeptisch gegenüber steht: „Unser Modell hat gezeigt hat, dass einzelne Kondensstreifenzirren über mehrere Stunden existieren. Sie würden also auch in der Nacht wirken, selbst wenn nur am Tag geflogen würde.“

Neue Routen oder neue Motoren?

Auch andere Ideen sind mit gravierenden Nachteilen verbunden – etwa das Ausweichen auf niedrigere Flughöhen auszuweichen, da Kondensstreifen in den tieferen und damit wärmeren Luftschichten seltener entstehen. Auch ließen sich die Flugrouten in Gebiete mit günstigeren Klimabedingungen verlagern – etwa indem Flugkorridore bevorzugt über Wüsten und andere Trockengebiete führen. Beides erfordert aber verstärkten Navigationsaufwand und verlängert oft die Flugrouten. Das Vermeiden der Kondensstreifen wäre dann mit einer höheren Emission von Treibhausgasen teuer erkauft. Mehr Erfolg versprechen daher technische Lösungen: Ließe sich der Ausstoß von Rußpartikeln und Wasserdampf reduzieren – etwa durch veränderte Antriebssysteme der Flugzeuge –, könnte man vielleicht Ausdehnung und Lebensdauer der künstlichen Wolken verringern.

Kondensstreifen über den USA | Flugzeuge sind eines der wichtigsten Verkehrsmittel in den Vereinigten Staaten: Entsprechend dicht hinterlassen sie Spuren am Himmel, wie auf diesem Satellitenbild zu sehen.
Wie sehr der Luftverkehr jedenfalls momentan das Erscheinungsbild des Himmels beeinflussen kann, zeigte sich nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 in Nordamerika und dem Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull im März 2010 über Europa. Nachdem die meisten Flugzeuge zwangsweise am Boden bleiben mussten, strahlte der Himmel vielerorts in sattem Blau: Kein Kondensstreifen wuchs sich zu trübenden Zirren aus.

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  • Quellen
Nature Climate Change 1, S. 54–58, 2011

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