Direkt zum Inhalt

Wetterfühligkeit: Die Wetterstation im Knie

Eine App soll den Zusammenhang zwischen Wetter und Schmerzen messen.
Streifige Wolken am Himmel können einem echt den Tag verderben

Bleibt das Wetter schön, oder fällt die Grillparty ins Wasser? Einige von uns kennen die Antwort schon vor dem Wetterbericht – ihr Barometer ist der Schmerz. Viele Menschen mit chronischen Schmerzen oder Migräne erleben bei bevorstehenden Wetterveränderungen eine Verschlimmerung ihrer Beschwerden. Für sie sind die Wetterschwankungen des kommenden Herbstes nicht bloß Anlass, die Winterkleidung auszupacken, sondern eine echte körperliche Einschränkung.

In der Medizin werden diese Patienten deshalb als wetterempfindlich bezeichnet. Um dem Phänomen auf den Grund zu gehen, gründete der Mediziner Will Dixon von der University of Manchester das Projekt "Cloudy with a Chance of Pain". Dixon trifft im Alltag oft auf solche Patienten. "Erstaunlich viele erzählen, dass sich ihre Schmerzen wetterbedingt verstärken", berichtet er. Dennoch wurde das Phänomen lange Zeit von Medizinern und Wissenschaftlern belächelt. Seit Januar 2016 sammelt das Projekt mit Hilfe der App "uMotif" Daten von chronischen Schmerzpatienten zu deren Schmerzempfinden und korreliert diese mit dem Wetter.

Bis heute haben bereits mehr als 9000 Schmerzpatienten in Leeds, London und Norwich uMotif heruntergeladen. Von 5824 Patienten haben die Wissenschaftler schon Daten begutachtet – etwa ein Viertel davon nutzt die App so regelmäßig, dass man daraus Schlussfolgerungen ziehen kann. Und wie die Ergebnisse vermuten lassen, beeinflusst das Wetter das Schmerzempfinden der Patienten tatsächlich. "Von Februar bis April gaben die Teilnehmer in allen drei Städten an, weniger Schmerzen zu haben", berichtet Dixon. Gleichzeitig stiegen in dieser Zeit die Temperaturen an, die Sonne schien mehr, und nur in Norwich regnete es nicht weniger.

In den folgenden Monaten war der Effekt umgekehrt: Das Schmerzlevel der Teilnehmer stieg. Auch die Temperaturen nahmen zu. Jedoch waren die Monate weniger sonnig und in allen drei Städten regnerischer. Um auszuschließen, dass es sich hierbei hauptsächlich um einen psychosozialen Effekt handelt, sammelt die App zusätzlich zum Schmerzempfinden und zu den GPS-basierten Wetterdaten Informationen über neun weitere Einflussfaktoren wie Aktivität, persönliches Befinden oder Schlafverhalten. Am Ende der Studie werden diese Faktoren herausgerechnet, um Aussagen zu dem reinen Wettereffekt machen zu können.

Welche Faktoren genau für die Wetterempfindlichkeit mancher Menschen verantwortlich sind, können auch die Wissenschaftler aus Manchester noch nicht sagen. Aber sie hoffen, dass die Daten dazu ebenfalls eine Erklärung liefern. Dank der GPS-basierten Wetterdaten können sie ihre Modelle nämlich zum Beispiel nach Druckveränderungen, Temperaturschwankungen oder Feuchtigkeitsunterschieden ausrichten.

Dennoch: Sollten sich die ersten Ergebnisse bestätigen, könnte das für Patienten eine große Verbesserung bedeuten. Zum einen müssten sie beim Arzt nicht mehr argumentieren, wenn sie glaubten, es ginge ihnen wetterbedingt schlechter. "Vor allem aber könnten sie dann ihre Woche nach dem Wetter planen und wären weniger abhängig von ihrer Krankheit", schließt Will Dixon. Die Studie läuft noch bis 2017. Einzelne Datensätze sind bereits jetzt auf der Website einsehbar. Betroffene und Interessierte können sich hier nicht nur über den aktuellen Stand informieren, sondern auch eigene Hypothesen entwickeln und diese mit den Wissenschaftlern teilen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.