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News: Die Zukunft des Internets

In einer internationalen Studie haben Kommunikationswissenschaftler Experten befragt, wie sie die Zukunft des Internets sehen. Die Ergebnisse sind in manchen Bereichen sehr ernüchternd. Vor allem im Bereich Handel und Dienstleistungen prognostizieren die Forscher einen deutlichen Rückgang der Arbeitsplätze, der von dem Beschäftigungsangebot für das Internet nicht abgefangen wird. Insgesamt werden sich ihrer Ansicht nach auch die Erwerbsverhältnisse tiefgreifend ändern.
Das Internet steht in der öffentlichen Diskussion als Symbol für technischen Fortschritt, kulturelle Globalisierung und wirtschaftliches Wachstum. Evangelisten und Apokalyptiker des "digitalen Zeitalters" prophezeien revolutionäre gesellschaftliche und kulturelle Folgen. Doch wie werden wir das Internet in ein bis zwei Jahrzehnten wirklich nutzen? Werden wir nicht nur unsere Bankgeschäfte und Einkäufe via Computernetz tätigen, sondern tatsächlich an virtuellen Universitäten lehren und lernen?

Mit diesen und einer Vielzahl weiterführender Fragen über Verbreitung, Bedeutung und möglichen Folgen der Online-Kommunikation befasst sich die erste Forschungsarbeit der Universität Erfurt in einer internationalen Expertenbefragung nach dem Delphi-Verfahren, deren Ergebnisse jetzt erstmals vollständig dokumentiert und analysiert vorliegen.

In den vergangenen beiden Jahren haben Peter Glotz und Klaus Beck vom Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft der Universität Erfurt gemeinsam mit der Technologieberatung Booz, Allen + Hamilton eine Untersuchung über die zukünftige Online-Nutzung seitens privater und geschäftlicher Anwender durchgeführt. Untersuchungsgegenstand war dabei nicht, was technisch möglich ist, sondern wann welche Technik auf welche Art und Weise angewendet wird. Das Interesse galt der Veralltäglichung der Technik und der breiten gesellschaftlichen Akzeptanz von Computernetzen. Die Untersuchungsfelder der Studie, die wichtige Teile der privaten Lebenswelt der Menschen und des Wirtschaftslebens umfasst, waren insbesondere Information, Unterhaltung und Spiele; Virtuelle Beziehungen und Cybersex; Electronic Commerce; Arbeitswelt; Lehren und Lernen.

Die Kernaussagen der Studie zeigen, dass man die Gesellschaft des Jahres 2010 durchaus noch wiedererkennen wird, dass aber doch tiefgehende Strukturveränderungen unausweichlich werden. So bilden sich zum Beispiel folgende Tendenzen heraus:

  • Der Prozess der Medienintegration sichert bis zum Jahr 2010 etwa 25 bis 40 Prozent der privaten Haushalte in den entwickelten Industriestaaten einen universellen und regelmäßig genutzten Zugang zu digitalen Medien und Kommunikationsdiensten. Die Nutzung der Computernetze wird mit Hilfe unterschiedlicher Endgeräte erfolgen.
  • Die direkte Kommunikation (Face-to-face) wird ihre sehr hohe soziale Bedeutung behalten, E-Mail wird Teile des Telefon- und Briefverkehrs substituieren.
  • Electronic-Commerce ist das Epizentrum der Entwicklungen zur "Informationsgesellschaft", wobei einzelne Branchen sehr unterschiedlich betroffen sind. Marketing und Vertrieb sowie die gesamte Wertschöpfungskette unterliegen einem strukturellen Wandel.
  • Wo der Kontakt zwischen Leistungserbringern und Leistungsnutzern übers Netz erfolgt, werden traditionelle Zwischenstufen in Vertrieb und Handel ausgeschaltet. Electronic Banking wird also zu einer Ausdünnung der Filialstruktur der Banken führen, elektronischer Buchvertrieb wird den traditionellen Buchhandel treffen, Electronic Shopping den Einzelhandel schwächen.
  • Kurz- und mittelfristig sind leicht negative Beschäftigungseffekte zu erwarten (Netto-Arbeitsplatz-Bilanz).
  • Alternierende Telearbeit wird primär von geringer Qualifizierten im Dienstleistungssektor geleistet, die Erwerbsverhältnisse werden sich durchgehend und tiefgreifend wandeln.

Diese Ergebnisse unterscheiden sich von vielen anderen Prognosen durch eine gewisse Nüchternheit, die Interessierte als Mangel an Vision empfinden mögen. Besonders wird das deutlich an zwei viel diskutierten Themenkomplexen: der zögerlichen Konvergenz von PC und Fernsehen sowie der Arbeitsmarktbilanz. Ernüchternd wirkt das Ergebnis, das die Beschäftigungseffekte der "Informationsgesellschaft&" kurz- und mittelfristig "leicht negativ" sein werden. Das widerspricht dem Pflichtpensum an Optimismus, der auf Messen wie der Cebit und der Internet World versprüht zu werden pflegt. Damit ist noch keine Globalaussage über die weltweite Arbeitsplatzbilanz der neuen Online-Welt verbunden, denn Schwellenländer mit günstigen Entlohnungsstrukturen mögen von der Entwicklung profitieren. Auch ist der Gang der Dinge auf lange Sicht nicht überschaubar. Für die nächsten Jahre aber sehen unsere Experten keinen Nettozuwachs von Arbeitsplätzen. Was das bei der hohen Sockelarbeitslosigkeit in vielen europäischen Gesellschaften bedeutet ist unabweisbar.

Niemand allerdings, das ist klar, kann die Zukunft "prophezeien". Dennoch kann die vorliegende Untersuchung dazu beitragen, angstfreie Fragen an die Chancen und Risiken des Internets zu ermöglichen.

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