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Dynamische Fahrgemeinschaften: Ein Bruchteil der Autos würde genügen

Ein neues Computerprogramm verteilt Fahrgäste so clever auf Taxis, dass man kaum noch Fahrzeuge benötigt. Die Komforteinbußen wären minimal.
Typische New Yorker Taxis

Die Idee ist simpel, und das Einsparpotenzial einleuchtend: Statt ein eigenes Taxi für die komplette Fahrt zu buchen, springt man bei einem an Bord, das ohnehin in die gewünschte Gegend fährt. Unterwegs sammelt der Fahrer weitere Passagiere ein und fährt alle zu ihrem jeweiligen Ziel. Die Mehrfachbelegung reduziert die Zahl der Fahrten – und damit der Autos, die auf Fahrgastsuche durch die Stadt kurven.

Möglich machen das Smartphones und Satellitennavigation. Wer am System angemeldet ist, leitet seinen Standort und sein Ziel per App weiter; Fahrer mit Platz für Passagiere bekommen die Route zum nächsten Mitfahrer direkt in ihr Navi eingespeist. Ein zentraler Computer bringt beide Parteien zusammen. Je mehr Teilnehmer mitmachen, desto anspruchsvoller wird allerdings die Berechnung, vor allem wenn jedes Auto einem halben Dutzend Passagieren Platz bietet.

Nun aber haben Wissenschaftler um Daniela Rus vom Massachusetts Institute of Technology einen Algorithmus entwickelt, der selbst dann nicht in die Knie geht, wenn er tausende Interessenten gleichzeitig berücksichtigen muss. Das macht es möglich, sogar den kompletten Taxiverkehr Manhattans in Echtzeit abzuwickeln.

Laut Simulation könnte man die Fahrzeugflotte dadurch erheblich verkleinern, sagen die Forscher in ihrer Studie: Unter günstigsten Bedingungen genügten 2000 Großraumtaxis mit Platz für zehn Mitfahrer. Setzt man stattdessen normale Pkw mit Platz für vier Fahrgäste ein, steigt die Zahl auf 3000. Aktuell gebe es knapp 15 000 aktive Taxis in der New Yorker Innenstadt. In allen Fällen lässt sich das System so feintunen, dass die durchschnittliche Wartezeit bei unter drei und die zusätzliche Fahrtdauer bei dreieinhalb Minuten liegt – was ja ungefähr der Zeit entspreche, die man braucht, um sein Auto vom Parkplatz zu holen, werfen Rus und Kollegen ein. Lediglich etwa zwei Prozent aller Fahrtwünsche lassen sich nicht mit einer praktikablen Mitfahrgelegenheit abdecken, so die Simulation.

Für Taxis, Privatleute und autonome Autos

Für diese Tests griffen sie auf das Passagieraufkommen einer typischen New Yorker Woche zurück. Aus einer öffentlichen Datenbank besorgten sie sich die Eckdaten aller drei Millionen Taxifahrten, die zwischen dem 5. und dem 11. Mai 2013 in Manhattan stattfanden. Dann ließen sie den Computer die jeweils effizientesten Fahrgemeinschaften bilden.

Nach dem gleichen Prinzip könne man nicht nur Taxis, sondern auch Privatfahrten zusammenlegen – oder künftig auch die Fahrten autonomer Fahrzeuge. Diese könnten den ganzen Tag durch die Innenstädte kreisen und immer wieder Fahrgäste aufnehmen. Eine Sonderfunktion des Algorithmus erlaubt es zudem, ungenutzte Fahrzeuge prophylaktisch in Gegenden zu schicken, in denen ein hoher Bedarf erwartet wird. Weniger Autos auf den Straßen würden sowohl die Luftverschmutzung und die Lärmbelastung verringern, hätten aber freilich auch den Vorteil, weniger Staus zu produzieren.

Als Nachteil des Prinzips, das sich bereits Firmen, allen voran Uber, zu Nutze machen, könnte sich hingegen sein eigener Erfolg entpuppen: Ein günstiges, bequemes und hocheffizientes "dynamic ridesharing" nimmt den klassischen öffentlichen Verkehrsmitteln ihre Attraktivität und sorgt schlimmstenfalls für mehr Straßenverkehr. In ihren Simulationen haben die Forscher gezeigt, dass ein Bruchteil der Taxis den gesamten Taxiverkehr bewältigen könnten – wie viele aber nötig wären, um auch noch die New Yorker Metro zu ersetzen, ist ungewiss. Diese Zahl dürfte jedenfalls erheblich darüberliegen.

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