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Kommunikationstechnik: Ein Kristall wie ein Schwamm

Licht könnte es besser als Elektronen. Der Strom, wie er heutzutage durch die Leitungen und Geräte fließt, ist langsam und verlustreich. Photonen sind sehr viel schneller und stören sich nicht gegenseitig. Zeit für eine Wachablösung in der Hochtechnologie. Wenn nur endlich jemand die dafür benötigten photonischen Kristalle in den Griff bekommen würde.
Photonischer Kristall
Die Natur macht es uns wieder einmal vor. Betrachten wir das Schillern eines Käferpanzers, das Farbspiel eigentlich pigmentloser Schmetterlingsflügel oder einen schimmernden Opal, sehen wir perfekte Beispiele für photonische Kristalle vor uns. Anstelle lichtschluckender Farbstoffe haben diese Objekte regelmäßige Strukturen voller Löcher, an deren Wänden sich die einzelnen Wellenlängen des Lichts spiegeln und in denen die Wellen miteinander wechselwirken. Werden manche Farben des einfallenden Lichts auf diese Weise leuchtend reflektiert, löschen sich andere in den Löchern selbst aus oder setzen ihren Weg in geänderte Richtungen fort.

Diese Möglichkeiten – einzelne Wellenlängen nach Belieben zu reflektieren, umzulenken oder auszulöschen – hätten manche Wissenschaftler auch gerne zur Verfügung. Denn genau das fehlt ihnen zur längst angekündigten Revolution in der Kommunikations- und Datenverarbeitungstechnik. Weg vom elektrischen Strom – hin zu optischen Schaltungen. Den ersten Schritt haben wir bereits vor Jahren getan, als immer mehr Glasfaserkabel die alten Kupferdrähte ersetzten. Licht ist rund zehnmal schneller als elektrischer Strom, und während fließende Elektronen einander über ihre Magnetfelder stören, kommen Photonen von unterschiedlichen Energien sogar im selben Leiter wunderbar miteinander aus. Die Photonik hätte längst den antiquierten Mitbewerber vollends aus dem Rennen geschlagen, gäbe es nicht das Problem mit den Schaltbausteinen. Aller Forschung zum Trotz fehlen nach wie vor die optischen Gegenstücke zu Transistor, Diode und ihren Verwandten.

Dabei kennen die Forscher bereits die Lösung: photonische Kristalle. Mehreren Arbeitsgruppen auf der ganzen Welt ist es gelungen, mit den unterschiedlichsten Verfahren einzelne Exemplare herzustellen. Einen wirklichen Durchbruch hat aber noch niemand erzielt. Und auch die neuen Ergebnisse des Teams um Minghao Qi vom Massachusetts Institute of Technology markieren nur einen Schritt auf dem langen Weg zur Photonik. Allerdings einen möglicherweise bedeutenden Schritt, denn den Materialwissenschaftlern ist es gelungen, mit etablierten Fertigungsmethoden gezielt Störstellen in neue photonische Kristalle einzubauen. Damit wären die Voraussetzungen geschaffen, die Eigenschaften der Kristalle zu manipulieren und erste Schaltelemente zu entwerfen.

Die Vorgehensweise bei der Konstruktion der dreidimensionalen Hoffnungsträger nutzt das vorhandene Wissen aus der Halbleiterelektronik. In mehreren Zyklen werden abwechselnd amorphes Silizium, ein Kunststoff, Nickel sowie ein Platzhaltermaterial für die Hohlräume auf einen Träger aufgebracht und mit einem Elektronenstrahl oder per Ionen-Ätzung stellenweise wieder entfernt. Schicht für Schicht entsteht ein mehrlagiger Kristall, der unter dem Elektronenmikroskop wie ein ultraordentlicher Schwamm aussieht. Fast perfekt, wenn da nicht jene Stellen wären, an denen die Löcher doch verschlossen sind – genau auf diese Defekte kam es den Forschern an. In Reflexions- und Transmissionsmessungen stellten sie fest, dass die punktgenauen Defekte das Licht im Bereich der technisch bedeutenden Wellenlängen zwischen 1,3 und 1,5 Mikrometern beeinflussten. Welche Photonen genau betroffen waren, ließ sich durch Variation der Lochgröße während der Produktion steuern.

Es mag zwar noch kein Transistor sein, den Qi und seine Kollegen entwickelt haben, doch immerhin sind sie den elektronischen Halbleitern auf der Spur. Manche Revolutionen kommen eben langsamer in Gang.

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