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News: Ein nahrhafter Sklave

Wirte von Parasiten haben nichts zu lachen. Kein Wunder - manche von ihnen werden von innen ausgefressen und dürfen als Dank für ihre Hingabe noch kurz vor dem Tod ein aufwendiges Bauwerk errichten, damit sich ihr Schmarotzer anschließend bequem betten kann. So zumindest ergeht es einigen Spinnen, die von einer bestimmten Schlupfwespe befallen wurden. Denn noch in ihrer Todesnacht muss die Spinne ein feines Netz weben, damit sich die Wespenlarve gut geschützt verpuppen kann.
Schlupfwespen zählen zu den Hautflüglern, der gleichen systematischen Gruppe, der auch unsere Honigbiene oder die Ameisen angehören. Die Larven der Wespen leben parasitisch, indem sie ihren Wirt – ein Insekt oder anderes wirbelloses Tier – von innen her auffressen, während dieses noch munter zappelt. Die Larven der Schlupfwespe können in allen Entwicklungsstadien der Insekten ihr Unwesen treiben, beispielsweise im Insektenei, einer Schmetterlingsraupe oder Puppe oder in einem erwachsenen Käfer. Die Schlupfwespe der Gattung Hymenoepimecis parasitiert sogar Spinnen der Art Plesiometa argyra. Das sich die Wespe allerdings dabei nicht damit begnügt, ihren Wirt von innen her aufzufressen, bis dieser schließlich stirbt, fanden Insektenkundler nun heraus.

Der Insektenforscher William G. Eberhardt vom Tropical Research Institut der Smithsonian Institution beobachtete, wie ein Hymenoepimecis-Weibchen die Spinne an der Nabe ihres Netzes attackierte und durch einen Stich kurzfristig lähmte, um ein Ei an ihren Hinterleib zu legen. Schon nach kurzer Zeit war die Spinne wieder aktiv und baute für die nächsten 7 bis 14 Tage fleissig ihre Netze, während in ihrem Körper die Wespenlarve bereits heranwuchs und sich von der Hämolymphflüssigkeit ihres Wirtes ernährte. In der Nacht, in der die inzwischen ausgewachsene Larve ihren achtbeinigen Wirt tötet, passiert jedoch etwas Besonderes: Der Parasit veranlasst die Spinne dazu, ein komfortables Kokon-Netz zu weben (Nature vom 20. Juli 2000). Im Gegensatz zum üblichen Netz der Spinne, dass dem Fang von Insekten dient, besitzt dieses Netz keine Klebefäden und ist besonders dicht gewebt. Denn jeder Fehler im Maschenwerk wäre für den Parasit fatal, da er durch ein zu großes Loch einfach zu Boden fallen würde. Hat die Spinne schließlich ihr letztes Sklaven-Werk verrichtet, bricht die Wespenlarve aus der Spinne hervor und häutet sich, um anschließend die Spinne zu töten und gänzlich zu verspeisen. Von dem Kokon-artigen Spinnennetz lässt sich der Parasit dann bequem an einem seidenartigen Faden einige Zentimeter hinabgleiten und spinnt sich nahezu frei in der Luft schwebend seinen eigenen Kokon. Das letzte Bauwerk der Spinne ist so stabil, dass es sogar starken Regenschauern standhält, und sich die Larve so gut behütet genügend Zeit lassen kann, bis ihre Verwandlung zum geflügelten Insekt abgeschlossen ist. Da die Spinne ihr letztes Werk sogar fortsetzt, wenn die Wespenlarve bereits kurz vor Baubeginn entfernt wurde, vermuten die Wissenschaftler, dass das gestörte Verhalten der Spinne durch chemische Reaktionen ausgelöst wird.

Dass Parasiten das Verhalten ihrer Wirte beeinflussen können, beobachteten Wissenschaftler bereits mehrfach. Eine derart komplexe Beeinflussung, wie sie die Larven von Hymenoepimecis hervorrufen, war den Forschern jedoch bisher nicht bekannt. Denn Nach Ansicht der Forscher lösen die Parasiten meistens nur einfache Handlungen, wie zum Beispiel die Aufnahme von Nahrung, Schlafen oder eine Wanderung von einem Habitat in das Nächste aus. Der Hautflügler ist wahrscheinlich für die ausgeklügelste Verhaltensänderung verantwortlich, die man je einem Parasit zugemutet hätte.

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