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Aktivierte Selbstheilung: Ein Pflaster heilt den Herzinfarkt

Ein Infarkt schädigt das Herz irreparabel, so dachte man jedenfalls bisher. Eine neue Therapie könnte das ändern, durch die Reaktivierung eines körpereigenen Reparaturprogramms.

Das Herz verzeiht nichts, so die gängige Annahme. Es gehört zu den Organen, die sich nach Verletzung nicht regenerieren können. Einmal abgestorben, gelten Herzmuskelzellen als unwiederbringlich verloren. Dieses eherne Gesetz stellen die Ergebnisse einer Forschergruppe um Pilar Ruiz-Lozano von der Stanford University School of Medicine nun auf den Kopf und eröffnen damit neue Wege bei der Behandlung von Herzinfarktpatienten.

In Tierexperimenten ist es ihnen gelungen, Infarktschäden bei Mäusen und Schweinen nahezu vollständig zu reparieren. Mit einem speziellen chirurgischen Eingriff reaktivierten sie einen bei Säugetieren verloren gegangenen Selbstheilungsmechanismus.

Die Wissenschaftler beluden dazu ein Hightechpflaster aus dehnbaren Kollagenfasern mit Herzmuskelvorläuferzellen und einem speziellen körpereigenen Protein. Diesen Flicken nähten sie unmittelbar nach dem Herzinfarkt auf das geschädigte Gewebe. Im Ergebnis führte die Behandlung zu einer nahezu vollständigen Wiederherstellung der Herzfunktion innerhalb von drei Wochen nach einem Infarkt.

Paradoxes Protein kurbelt Regenerationsprozess an

Verantwortlich für die Regeneration des abgestorbenen Herzgewebes sei eine Variante des Proteins Follistatin-like 1 (FSTL1). Diese fanden sie im Epikard ungeschädigter Herzen, einer elastischen Haut auf der Innenseite des Herzbeutels.

Nach einem Infarkt – so stellten die Forscher fest – wird die Produktion des Proteins direkt über der schadhaften Stelle eingestellt. Indem sie das künstliche Epikard in Form des Pflasters auf die zerstörte Herzwand nähten, gelang es den Autoren, das verletzte Herzgewebe zu erneuern. Das führte im Tierversuch zum Einwachsen neuer Zellen in die Herzwand, in dessen Folge die Herzfunktion fast vollständig wiederhergestellt wurde.

Gewebeschnitte der Herzen, vier Wochen nach der Behandlung, zeigten, dass sich unter den geflickten Stellen neues Herzmuskelgewebe gebildet hatte. Zudem waren die nach einem Infarkt normalerweise typischen Vernarbungen erheblich reduziert.

Regenerationsprozesse bei geschädigten Herzen waren zuvor nur bei primitiven Wirbeltieren wie Zebrafischen beobachtet worden, galten aber bisher als nicht auf Säugetiere übertragbar. Das entscheidende Protein FSTL1 ist allerdings auch beim Menschen nicht unbekannt. Es taucht nach einem Infarkt vermehrt im Blutkreislauf auf. Offenbar wird es von sterbenden Zellen in der Herzwand gebildet und eignet sich deswegen als Indikator für einen Herzinfarkt.

Paradoxerweise hat dieses in der Herzwand gebildete FSTL1 aber keinen Reparatureffekt, stellten die Wissenschaftler fest. Über die genauen Gründe können sie nur Vermutungen anstellen.

Ihre Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich das ursprünglich im Herzmuskelgewebe gebildete FTSL1 von dem im Epikard gebildeten in seiner Molekülstruktur leicht unterscheidet. Offenbar entscheiden unterschiedliche angelagerte Zuckerreste darüber, ob das Protein einen regenerativen Effekt auf das Herz hat oder nicht.

Die Ergebnisse nähren die Hoffnung, dass sich durch den Einsatz des künstlichen Epikards Herzinfarkte auch beim Menschen effektiv therapieren lassen. Allerdings wurden die Flicken im Tierversuch unmittelbar nach einem Infarkt aufgenäht. Das könnte ihre therapeutische Anwendbarkeit beim Menschen einschränken.

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