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Sternentwicklung: Ein Stern als Staubschleuder

Staubiger Stern

Der NASA-Satellit WISE bildete 2010 den gesamten Himmel in vier unterschiedlichen Infrarotwellenlängenbereichen ab. Aus seinen Daten erstellten die Astronomen einen Katalog mit mehr als 500 Millionen einzelnen Objekten, der Sterne, Asteroiden und ferne Galaxien lückenlos und mit unübertroffener Empfindlichkeit erfasst. Die gewaltigen Datenmengen wurden allen interessierten Wissenschaftlern frei zur Verfügung gestellt, die mit ihrer Analyse für Jahrzehnte beschäftigt sein werden. Die Arbeitsteilung funktioniert: Erst kürzlich entdeckten Forscher zu ihrer eigenen Überraschung 200 Blazare in den WISE-Daten, nun machten andere Kollegen die nächste unerwartete Entdeckung.

Staubiger Stern | Ein Stern stößt am Ende seines Lebens eine gewaltige Staubwolke ins All. Für diese Aufnahme setzten Astronomen Bilder der Infrarotsatelliten WISE und IRAS zusammen. Die neuen WISE-Daten aus dem Jahr 2010 sind in Grün und Rot dargestellt, während die IRAS-Daten von 1983 blau eingefärbt sind. Der staubproduzierende Stern (orange) befindet sich links oben im Bild. Er ist der einzige helle Objekt in der Aufnahme, das nicht von IRAS erfasst wurde. Seine Helligkeit nahm seit 1983 um einen Faktor 100 zu.

Ein dreiköpfiges Astronomenteam um Poshak Gandhi von der japanischen Raumfahrtagentur JAXA fand einen alternden sonnenähnlichen Stern, der gerade große Mengen Staub ins All bläst. Vor ihrer Entdeckung war nur ein einziger vergleichbarer Stern (Sakurais Objekt) in unserer Milchstraße bekannt, an dem seit den 1990er Jahren dieser spannende Abschnitt der Sternentwicklung untersucht wird. Die Phasen des sehr intensiven Staubausstoßes dauern nur wenige hundert Jahre, sind astronomisch gesehen also nur ein Augenzwinkern. Einen solchen Stern zu entdecken, ist gewissermaßen ein Glücksspiel. Die Astronomen müssen zum richtigen Zeitpunkt das richtige Objekt beobachten. Mit Himmelsdurchmusterungen wie WISE, die ungezielt den gesamten Himmel abbilden, erhöhen sich die Gewinnchancen enorm.

Gandhis Team gelang durch cleveres Data-Mining den Stern mit der Bezeichnung WISE J180956.27-330500.2 zu entdecken. Sie durchsuchten den WISE-Quellenkatalog und verglichen ihn mit der 2MASS-Durchmusterung aus den späten 1990er Jahren und Daten des Infrarotsatelliten IRAS aus den 1980er Jahren. Sie filterten Objekte heraus, die sowohl in den 2MASS- als auch in den WISE-Daten, nicht aber in den IRAS-Katalogen zu finden waren. Sie schränkten ihre Suche zudem auf Quellen ein, deren Infrarotlicht auf die Anwesenheit von Staub hinwies. Zum Zeitpunkt der Suche stand den Wissenschaftlern nur ein vorläufiger WISE-Katalog mit immerhin 257 Millionen Objekten zur Verfügung. Ihr Suchalgorithmus spuckte zwei Objekte aus, die alle Voraussetzungen erfüllten. Das eine war Sakurais Objekt, das andere der bisher unbekannte Stern.

Der Stern ist ein Blick in die Zukunft unserer Sonne. In rund fünf Milliarden Jahren wird sie sich wie WISE J180956.27-330500.2 zu einem Roten Riesen aufblähen und dabei große Mengen schwerer Elemente in Form feiner Staubpartikel ins All blasen. Aus diesem Staub entstehen schließlich wieder neue Sterne und Planeten. Die Staubentstehung kann sehr plötzlich ablaufen, wenn im alternden Stern neue Kernfusionsprozesse zünden, wie es bei der Neuentdeckung der Fall zu sein scheint. Die Forscher schätzen, dass der Stern vermutlich zwischen Ende 1996 und Mitte 1998 rund eine Erdmasse frischen Staubs ausgestoßen hat. Sie haben den Stern gewissermaßen in flagranti erwischt.

Das Ergebnis zeigt einmal mehr das Potenzial für weitere unerwartete Entdeckungen im WISE-Katalog. Durch die ungezielte Beobachtung des gesamten Himmels in verschiedenen Wellenlänge wurden viele verschiedene Vorgänge im Kosmos erfasst. Es bleibt spannend, welche weiteren Erkenntnisse die Astronomen mit Hilfe von WISE machen.

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