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Plattentektonik: Eine Tasche aus Meeresboden

Banda-Bogen Teaser
Zu den eindrucksvollsten und rätselhaftesten geologischen Strukturen dieses Planeten zählt der Banda-Bogen, ein gigantischer Haken aus Vulkaninseln und Tiefseegräben am östlichen Ende des über 6000 Kilometer langen Sunda-Bogens. Hier wird kontinuierlich Meeresboden der Australischen Platte unter der Eurasischen Platte in den Erdmantel hineingezogen, erkennbar an einem Tiefseegraben, hinter dem sich eine langgestreckte Kette von Inseln voller aktiver Vulkane erhebt – darunter der Merapi, der Krakatau und der Tambora.

Bathymetrie des Banda-Bogens | Von Westen kommend geht die von Vulkanen gesäumte Subduktionszone des Sunda-Bogens in die charakteristische halbkreisformige Struktur des Banda-Bogens, hier in der Mitte rechts, über.
Dort jedoch, wo die Subduktionszone auf den australischen Kontinent trifft, ändert sich das zuvor so einfache Bild. Vor Neuguinea schlägt sie einen gewaltigen, tausend Kilometer langen Haken, so dass sie ihre Richtung auf kurzer Strecke völlig umkehrt. Taucht ursprünglich die australische Platte vor Timor Richtung Norden ab, verschwindet sie auf der gegenüberliegenden Seite der Bandasee nach Süden unter der größeren Platte.

Lange haben Geologen über den Ursprung und die Geschichte dieser kuriosen Konstellation gerätselt und darüber gestritten, ob dort ein einziges Stück Meeresboden im Erdmantel verschwand, oder ob nördlich und südlich der Bandasee zwei getrennte Krustenteile abtauchen. Jetzt haben Wim Spakmaan von der Universität Utrecht und Robert Hall von der Royal Holloway University in London den Untergrund des löffelförmigen Meeresbeckens durchleuchtet und Spuren seiner bemerkenswerten Geschichte gefunden. Vor etwa 15 Millionen Jahren befand sich dort, wo jetzt die Vulkane und Gräben des Banda-Bogens sind, ein uraltes Meeresbecken, auf drei Seiten eingeschlossen vom australischen Kontinent. Die Subduktionszone des Sunda-Bogens endete damals bereits knapp südlich des heutigen Borneo und knickte dort nach Norden ab. Dieser Tiefseegraben begrenzte das Banda-Meeresbecken im Westen. Während der Sunda-Graben sich seither kaum von der Stelle bewegte, spielten sich an seinem östlichen Ende dramatische Szenen ab. Der alte Meeresboden der australischen Platte, kälter und dichter als das umliegende Gestein, sackte wie ein Stein in den Erdmantel ab – die Plattengrenze verschob sich binnen weniger Millionen Jahre um 800 Kilometer nach Südosten, ein Vorgang, den man als rückschreitende Subduktion bezeichnet.

Im Erdmantel fanden Wissenschaftler die Reste dieser alten Meeresbucht, deren Kontur der moderne Banda-Bogen nachzeichnet. Der ehemalige Meeresboden hängt, noch an drei Seiten mit dem australischen Kontinent verbunden, als über 600 Kilometer tiefer Beutel aus kühlerem Krustenmaterial unter der heutigen Bandasee – eine gigantische Geosynklinale, die wohl größte Faltung des Planeten.

Abtauchende Platten in Südostasien | Die komplizierte Geologie des westlichen Pazifiks. Im unteren Bild sieht man die Tasche, die die abgetauchte ozeanische Kruste vor der Küste Australiens bildet.
So gewalttätig war der Prozess der beschleunigten Subduktion, dass sogar ein Teil des benachbarten Kontinents zerstört wurde. Dort, wo heute die nördliche Banda-See und die Insel Sulawesi liegen, erstreckte sich einst ein Sporn kontinentaler Kruste. Die absinkende ozeanische Kruste riss den unteren Teil der kontinentalen Lithosphäre mit sich hinab, so dass sich die Schichten der Kruste voneinander trennten – ein Vorgang, den man als Delamination bezeichnet.

Auch heute noch beeinflusst das Schicksal der längst subduzierten Krustenplatten die Geografie an der Oberfläche. Von Süden drängt unaufhaltsam der australische Kontinent heran und drückt die Tasche aus ehemaligem Meeresboden von der Seite zusammen – und die Inseln der Bandasee nach oben. Einst tausende Meter unter dem Meer gelegen, ragen sie nun bis zu drei Kilometer weit auf. (lf)

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  • Quellen
Spakman, W., Hall, R.: Surface deformation and slab–mantle interaction during Banda arc subduction rollback. In: Nature Geoscience 10.1038/NGEO917, 2010

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