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Verhaltensbiologie: Einmal schnuppern, bitte

Wie mag wohl das Schultertuch eines Massai-Kriegers riechen? Elefanten des kenianischen Amboseli-Nationalparks wissen es genau. Was passiert, wenn der Duft des Feindes in den Rüssel steigt, haben Forscher nun herausgefunden.
Elefant
Wetten, dass dieser Herr es schafft, am Geruch des T-Shirts zu erkennen, welcher der zehn Männer ein Verbrecher ist, könnte der Moderator einer berühmten Fernsehshow fragen. Man stelle sich eine Person mit Taucherbrille vor, deren Gläser von Nasen aus Pappmaschee bedeckt sind, den eigenen Riechkolben tief in zerknautschten Wäschestücken vergraben. Die Antwort ist leicht: Nein, er wird es nicht schaffen.

Was für ein abwegiger Einfall, könnte man meinen. Doch so absurd scheint der Schnüffeltest auf potenzielle Feindschaft gar nicht zu sein – bei Elefanten im kenianischen Amboseli-Nationalpark wurde er bereits praktiziert. Eine Forschergruppe um Richard Byrne von der Universität St. Andrews ließ die Dickhäuter an der Kleidung von Angehörigen zweier Volksstämme schnuppern und beobachtete die Reaktion der Tiere.

"Schnüffelnde" Elefanten | Elefanten strecken ihre Rüssel nach vorne, um den Geruch von Feinden wahrzunehmen.
Die eine Volksgruppe, die Massai, sind nomadisch lebende Bewohner Kenias und Tansanias. Bekannt sind sie als Krieger, die sich unter anderem von Rinderblut ernähren und Elefanten mit Speeren jagen. Mitglieder des zweiten Volks, der Kamba, leben ebenfalls in Kenia, ernähren sich aber vorwiegend von landwirtschaftlichen Produkten.

Die Wissenschaftler besorgten sich von beiden Stämmen jeweils fünf Tage lang getragene Wäsche und hielten diese den Elefanten vor die Rüssel. Auch ungetragenen, gewaschenen Stoff präsentierten sie den Tieren.

Massai-Krieger | Junger Massai-Mann mit traditionellem Körperschmuck
Alle Kleidungsstücke schlugen die Dickhäuter in die Flucht, doch liefen sie unterschiedlich schnell und weit. Stieg ihnen der Massai-Duft in den Rüssel, so rannten sie, was das Zeug hielt – und zwar mit Vorliebe in Gebiete, wo sie sich in hohem Gras verstecken konnten. Auch brauchten sie besonders lange, um sich von der Sinneserfahrung wieder zu erholen. Das Odeur des Kriegervolks scheint die Elefanten demnach in Angst und Schrecken versetzt zu haben. Die ungetragene beziehungsweise mit Kamba-Duft gespickte Kleidung löste bei den Tieren dagegen wesentlich schwächere Reaktionen aus.

Weil traditionelle Massai-Krieger sich vorwiegend mit rotem Tuch schmücken, wollten die Wissenschaftler auch wissen, ob die Tiere auf diese charakteristische Farbe reagieren. Folglich präsentierten sie den grauen Riesen gewaschene rote sowie weiße Kleidung. Und in der Tat: Der rote Stoff machte die Elefanten aggressiv, der weiße ließ sie dagegen kalt.

Erst schnuppernde, dann fliehende Elefanten | Die Elefanten riechen, dass ein Massai-Krieger in der Nähe ist (oben) und ergreifen die Flucht (unten).
Waren die Tiere in der Vergangenheit vielleicht schon einmal den Speeren der Massai-Krieger begegnet, hatten sich Geruch und Farbe gemerkt und schlugen nun Alarm, sobald sie erneut mit dieser Erinnerung konfrontiert wurden? Diese Ursache für das Fluchtverhalten können die Wissenschaftler jedoch ausschließen: Die Elefantengruppen, die noch nie Opfer eines Massai-Angriffs geworden waren, reagierten ebenso heftig wie Dickhäuter mit derartiger Vergangenheit.

Elefanten können demnach das Ausmaß einer Gefahr anhand indirekter Zeichen – wie Farbe und Geruch – einschätzen, ohne dass sie solch eine Bedrohung schon einmal am eigenen Körper gespürt haben, folgern die Forscher. Einige Individuen scheinen ihre schlechte Erfahrung mit dem Kriergervolk an die Elefantenpopulation weitergegeben zu haben. Wie die Tiere ihren Kollegen beibringen, dass ein Rüssel voll Massai-Duft das Zeichen zum Vollgalopp ins Grasland ist, bleibt jedoch nach wie vor ein Rätsel.

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