Direkt zum Inhalt

News: Erinnerungen - sentimental, aber unwahr

Dass einem das Gedächtnis ab und an einen Streich spielen kann, kennt man ja. Aber könnte es sein, dass unsere Erinnerungen an die Kindheit nicht viel Wahres enthalten? Genau dies zeigt eine Langzeitstudie, in der Männer zuerst im Alter von 14 und nun 34 Jahre später zweimal die gleichen Fragen beantworten mussten.
Im Jahre 1962 befragte der Psychiater Daniel Offer von der Northwestern University 73 Jungen aus Chicago im Alter von 14 Jahren über ihre Eltern, Hobbys, Freunde und die Schule. 34 Jahre später gelang es ihm, 67 der Teilnehmer wieder aufzuspüren, um ihnen die gleichen Fragen zu ihrer Jugendzeit noch einmal zu stellen.

Dabei zeigte sich Verblüffendes: An was sich die Befragten – normale, gesunde Männer im Alter von 48 Jahren – erinnerten, hatte äußerst wenig damit zu tun, was sie in ihrer Jugend empfunden und zu Protokoll gegeben hatten. Tatsächlich war ihr "exaktes Gedächtnis nicht besser als man bei zufälligem Raten erwartet hätte", berichten Offer und seine Kollegen in der Juni-Ausgabe des Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry.

Obwohl 61 Prozent der Jugendlichen angegeben hatten, dass Sport und andere körperliche Aktivitäten ihr liebster Zeitvertreib gewesen wären, konnten sich nur 23 Prozent an diese Vorliebe erinnern. Außerdem wussten 58 Prozent der Männer noch genau, wie sehr sie Hausaufgaben gehasst hatten, während sie als Jugendliche nur zu 28 Prozent diese Aussage gemacht hatten. Die 48-Jährigen schienen weiterhin ihre früheren Ansichten über Religion, die besten und schlechtesten Eigenschaften ihrer Eltern und ihre Einstellung zur Disziplin vergessen zu haben. Nur an drei Dinge konnten sich die amerikanischen Jungen genau erinnern: wie wichtig es für sie war, eine Freundin zu haben, dass sie einmal mehr verdienen wollten als ihr Vater und die elterliche Ermunterung zum Sport.

Die Ergebnisse lassen vermuten, dass das Erinnerungsvermögen "noch schlechter ist, als wir angenommen hatten", meint Offer. Sie widerlegten außerdem auch die Ansicht, dass emotionsgeladene Ereignisse besser im Gedächtnis bleiben. Die Psychologin Elizabeth Loftus von der University of Washington findet die Studie "faszinierend". Ihrer Meinung nach zeigt sie, dass man sich auch bei gesunden Menschen nicht auf die Aussagen über ihre Kindheit und Jugend verlassen kann.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.