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News: Ersatz fürs Blut

Eine gesicherte Versorgung mit Spenderblut ist für die moderne Medizin lebensnotwendig. Auch die ständig stärker werdende Furcht vor Krankheiten, die über das Blut übertragenen werden, wie AIDS und Hepatitis hat die Forschung veranlaßt, nach einer künstlichen Alternative zu suchen. Wie erwartet, stellte sich die Suche nach einem Blutersatz als ausgesprochen schwierig heraus. Zwei wissenschaftliche Teams berichten jetzt, wie einige der größten noch verbleibenden Probleme auf dem Weg dorthin überwunden werden könnten.
Die meisten Versuche, eine brauchbare Alternative zum Blut zu finden, konzentrieren sich auf Lösungen, die auf zellfreiem Hämoglobin beruhen. Normalerweise tritt Hämoglobin – das Sauerstoff transportierende Molekül – nur innerhalb der roten Blutkörperchen auf. Durch zellfreies Hämoglobin entsteht daher ein gewaltiger Unterschied in der Rate der Sauerstoffversorgung der unterschiedlichen Gewebe. Dies ist aber nur ein Problem, welches überwunden werden muß. Die Zellmembran enthält Enzyme, die das Hämoglobin vor dem Abbau schützen und ihm dadurch gestatten, etwa drei Monate im Blutkreislauf funktionstüchtig zu bleiben. Ein Mangel an Enzymen in dem zellfreien Ersatzstoff setzt den Körper dem Risiko aus, Oxidationsschäden durch freigesetzte reaktive Sauerstoffmoleküle zu erleiden. Ein weiteres Problem ist das bisher ungeklärte Ansteigen des "Blut"-druckes (Hypertonie) bei der Verwendung von zellfreiem Hämoglobin.

Felice D'Agnillo und Thomas Chang von der McGill University in Montreal (Kanada) beschreiben nunmehr, wie sie einen Hämoglobinkomplex mit antioxidativen Eigenschaften entwickelt haben, um sauerstoffbedingte Schäden und die Zersetzung des Hämoglobin zu vermeiden. Sie verbanden Hämoglobinmoleküle mit zwei Schutzenzymen (Superoxid-Dismutase und Katalase), die schädliche Sauerstoffderivate gewissermaßen entgiften.

Der so entstehende Proteinkomplex könnte sich nützlich erweisen, um den Gewebeschaden zu verringern, der oft nach einem Schlag- oder Herzanfall bzw. nach chirurgischen Organtransplantationen auftritt, bei denen die Blutzufuhr eine Zeitlang unterbrochen ist. Während dieser ischaemischen Periode entstehen Chemikalien, die erneut reagieren, wenn die Blutzufuhr wieder hergestellt ist, und dann weitere reaktive Sauerstoffderivate bilden. Die Schutzenzyme können diese schädlichen Derivate abbauen, wodurch die Auswirkungen der sogenannten Reperfusionsverletzung reduziert werden.

Eine weitere Gruppe unter der Leitung von Douglas Lemon von Baxter Inc. Hemoglobin Therapeutics in Boulder hat das Problem der Hypertonie in Angriff genommen. Offensichtlich wird diese durch das Zusammenziehen der Blutgefäße verursacht, wenn sie mit den zellfreien Blutersatzstoffen in Kontakt kommen. Um diese Schwierigkeit zu bekämpfen, mußte das Team herausfinden, was genau die Kontraktion der Blutgefäße hervorruft.

Doherty und seine Kollegen sind der Ansicht, das der Grund hierfür in einer veränderten Art der Bindung von Stickstoffmonoxid durch das künstliche Hämoglobin ist. Stickstoffmonoxid agiert als signalgebende Chemikalie in verschiedensten Körpersystemen und könnte wichtig sein, um eine Gewebeanspannung zu verhindern. Wenn das künstliche Hämoglobin Stickstoffmonoxid aus den Blutgefäßen abfängt, könnte dies nach Ansicht der Forscher, ausreichen, um eine Kontraktion auszulösen.

Die Wissenschaftler haben Hämoglobinkomplexe hergestellt, die Stickstoffmonoxid weniger effektiv binden und dabei gleichzeitig ihre Affinität zum Sauerstoff behalten. Ihr Hämoglobin scheint in der Tat weniger Stickstoffmonoxid abzufangen, wodurch der Patient (in diesem Fall Ratten) weniger anfällig für Hypertonie ist.

Obwohl die Ersetzung des Spenderblutes durch künstliche Blutersatzstoffe noch immer in weiter Ferne liegt, müßten die genannten Erkenntnisse der Forschung wichtige Impulse geben. Beide Berichte erschienen in der Juli-Ausgabe 1998 von Nature Biotechnology.

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