Direkt zum Inhalt

Psychologie: Erst der Ekel, dann die Moral

Die Empörung über unfaire Behandlung äußert sich ähnlich wie Abscheu vor verdorbenem Essen.
Ekel
Der Würgereflex, wenn uns Gammelgeruch in die Nase steigt, und die Empörung über offensichtlich unmoralisches Verhalten – diese beiden Formen des Abscheus könnten laut Forschern enger miteinander verwandt sein, als man gemeinhin denkt. Die Psychologin Hanah Chapman und ihre Kollegen von der University of Toronto (Kanada) nahmen zunächst den natürlichen Ekel unter die Lupe: 27 Probanden kosteten von verschiedenen Flüssigkeiten, darunter saure, salzige und bittere Getränke. Per Elektroden registrierten die Forscher dabei das Zucken der Gesichtsmuskeln. Vor allem bei den sauren und bitteren Cocktails hoben viele Versuchspersonen die Oberlippe an und rümpften die Nase – das typische "Igitt!"-Gesicht. Der Anblick unappetitlicher Fotos rief die gleiche Reaktion hervor.

Anschließend nahmen die Probanden an einem fingierten Geldspiel teil. Dabei musste in jeder Runde eine Summe von 10 Dollar unter zwei Partnern aufgeteilt werden. Der Mitspieler – ein Assistent der Forscher – unterbreitete ein Angebot, das die Probanden annehmen oder ausschlagen konnten; lehnten sie jedoch ab, gingen beide Seiten leer aus. Bei unverschämten Offerten wie dem Angebot von nur einem Dollar lehnten die Probanden nicht nur entrüstet ab, sie zeigten sich tatsächlich auch körperlich "angewidert": Die Elektroden verzeichneten ein Zucken der gleichen Muskeln wie beim Kosten bitterer Stoffe.

Chapman und Kollegen glauben, dass sich das Gefühl von moralischer Empörung aus dem entwicklungsgeschichtlich älteren, körperlichen Ekel entwickelt hat. Nicht umsonst würden sittlich fragwürdige Angebote auch als "anrüchig" bezeichnet. (cw)


Chapman, H. et al.: In Bad Taste: Evidence for the Oral Origins of Moral Disgust. In: Science 323(5917), S. 1222-1226, 2009.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.