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News: Erst schlucken, dann zucken

Ecstasy wird von vielen Konsumenten  fälschlicherweise als ungefährlich eingeschätzt. Eine neue Studie zeigt, dass selbst nach nur einer durchgetanzten Nacht Parkinson-ähnliche Spätfolgen auftreten können.
Designerdrogen sind weiter auf dem Vormarsch – das bestätigte vor einigen Monaten auch wieder der jährliche Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung. In der "Spaßkultur" wird der Umgang mit synthetischen Drogen wie Ecstasy und LSD von immer mehr Jugendlichen als normal empfunden – mögliche Gefahren rücken in den Hintergrund.

Ein wichtiger Grund dafür ist, dass bei der Einnahme von Ecstasy kaum Nebenwirkungen aufzutreten scheinen, so dass der Konsument die Substanz für ungefährlich hält. Da die meisten Käufer die aufputschende Wirkung nutzen, um sich nächtelangen Tanz-Exzessen hinzugeben, wähnte man die größte Gefahr eher in den Folgen dieser Dauerbelastung als in der Droge an sich – also etwa im Wassermangel, in der Erschöpfung oder der Kombination mit anderen Drogen.

Die Wissenschaft hat der zunehmenden Experimentierfreudigkeit der Jugendlichen natürlich nicht tatenlos zugesehen, sondern sich den Folgen des Konsums gewidmet. Die Forscher konzentrierten sich dabei zunächst auf die Untersuchung bestimmter Nerven im Gehirn, die den Botenstoff Serotonin verwenden, weil die Ausschüttung dieser Substanz auch für die euphorische Stimmung der Konsumenten verantwortlich ist. In Versuchen an Affen fanden sie so heraus, dass diese Zellen durch Ecstasy nachhaltig beschädigt wurden und teilweise abstarben.

Allerdings waren sich die Experten nicht einig, ob man die Ergebnisse vom Affen auf den Menschen übertragen kann. Aus diesem Grund haben George Ricaurte und seine Kollegen der John Hopkins University School of Medicine den "Konsum" der Affen dem des Menschen angepasst und ihre Untersuchungen auch auf andere Nerventypen ausgedehnt. Denn im Laufe der Zeit hatte sich auch das Anwendungsmuster geändert: Während Ecstasy-Anhänger in den achtziger Jahren im Schnitt ein bis zwei Tabletten pro Monat zu verschiedensten Anlässen einnahmen, beschränkt sich der Konsum heutzutage eher auf die "Techno-Szene", deren tanzwütige Anhänger im Laufe eines Abends oft sogar gleich mehrere der bunten Tabletten schlucken.

Die Wissenschaftler verabreichten den Affen für ihre Studie daher drei Dosen des Ecstasy-Wirkstoffes Methylendioxy-methylamphetamin (MDMA) im Abstand von je drei Stunden und untersuchten die Tiere zwei Wochen später. Dabei stellten sie fest, dass außer den serotonergen Neuronen auch andere, so genannte dopaminerge Neuronen, beschädigt wurden: Diese Nerven, die den Botenstoff Dopamin verwenden, sind unter anderem für die Steuerung von Bewegungen zuständig.

Das gesamte Ausmaß überraschte die Forscher durchaus, denn es zeigt eindeutig, dass bereits gelegentlicher oder sogar einmaliger Ecstasy-Konsum im Hirn seine Spuren hinterlässt. Allerdings bleiben die Folgen des Missbrauchs für den Konsumenten wahrscheinlich zunächst unbemerkt, solange noch genügend Dopamin vorhanden ist. Doch auch das ist kein Freibrief für den Konsum, da die Konzentration des Botenstoffes mit steigendem Alter kontinuierlich abnimmt – sind mehr als 90 Prozent verloren, kann es zum so genannten Parkinsonismus kommen, dessen Symptome denen der Parkinson-Krankheit ähneln. Sie ist ebenfalls durch einen Dopamin-Mangel im Gehirn gekennzeichnet: Die Patienten leiden unter grobem Zittern, Muskelspannungen und der Verlangsamung aller Bewegungen – auch der Mimik.

In einem weiteren Experiment simulierten die Wissenschaftler den Alterungsprozess, indem sie den Affen die Substanz AMPT verabreichten, welche die Dopamin-Produktion im Gehirn stufenweise verringert. Jene Tiere, die zuvor Ecstasy genommen hatten, schnitten in allen motorischen Tests deutlich schlechter ab, als ihre drogenfreien Artgenossen. Ricaurte warnt deshalb eindringlich davor, mögliche Gesundheitsrisiken durch den Konsum der Droge zu unterschätzen.

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  • Quellen
Science 297(5589): 2260–2263 (2002)

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