Direkt zum Inhalt

Antarktis: Erste Expedition zum neuen weißen Fleck

Im Juli 2017 brach ein gigantischer Eisberg vom antarktischen Larsen-C-Eisschelf ab. In einem Wettlauf gegen die Zeit wollen Wissenschaftler das freigelegte Ökosystem erforschen.
Eiskante von Larsen C

Im Juli 2017 brach vom Larsen-C-Schelfeis an der Antarktischen Halbinsel ein gewaltiger Eisberg namens A68 ab – begleitet von weltweitem Medieninteresse. Seitdem entfernt sich der knapp 6000 Quadratkilometer große Gigant langsam auf das Meer hinaus. Für die Wissenschaft eröffnet sich damit eine einzigartige Chance, denn der driftende Eisberg von der Größe Luxemburgs gibt eine riesige Fläche Meeresboden frei, die wahrscheinlich seit tausenden Jahren von äußeren Einflüssen wie Sonnenlicht, Meeresströmungen oder uns Menschen völlig abgeschnitten war. Der British Antarctic Survey (BAS) führt deshalb ab dem 14. Februar eine Expedition in die Region durch, um eine erste Bestandsaufnahme zu machen. Sie dient als Ausgangsbasis, die weitere Entwicklung beobachten soll: Wie verändert sich der Ozean hier? Welche Tiere wandern ein? Welches Ökosystem stellt sich ein?

Insgesamt ist die Erkundungsfahrt mit der "RRS James Clark Ross" auf drei Wochen am Eisschild ausgelegt, wobei auch die deutsche Meeresbiologin Angelika Brandt vom Forschungsinstitut Senckenberg in Frankfurt an Bord sein wird. Für die Wissenschaftler ist es ein Wettlauf gegen die Zeit, denn je weiter sich A68 von der neuen Eiskante entfernt, desto größer wird die Fläche im Meer, die dem Tageslicht ausgesetzt wird. Die entstehenden Algenblüten beeinflussen das bislang wahrscheinlich fast völlig unbesiedelte Ökosystem ebenso wie neu ankommende Arten. "Das Kalben von A68 bietet uns die einzigartige Gelegenheit, das Leben im Meer zu beobachten, wie es auf diesen dramatischen Umweltwandel reagiert", so Katrin Linde vom BAS, die die Forschungsfahrt leitet. Die beteiligten Wissenschaftler sollen bodenlebende Lebewesen, Mikroben, Plankton, Sediment- und Wasserproben sammeln. Auch Meeressäuger und Seevögel sollen beobachtet werden.

Krebstierchen | Zu den ersten Kolonisatoren des frei gewordenen Meeres dürften kleine Krustentiere gehören.

Was mit dem Gebiet zwischen Larsen C und A68 geschieht, ist in einem internationalen Abkommen geregelt, das 2016 vereinbart wurde. Es gewährleistet, dass wissenschaftliche Erforschung von neu eisfreien Regionen priorisiert. Für andere Nutzungen sind diese Gebiete vorerst tabu. In den letzten Jahren und Jahrzehnten sind die Eisschelfe Larsen A und B bereits zerfallen oder im Zerfall begriffen. Ein ähnliches Schicksal könnte auch Larsen C bevorstehen, auch wenn der Abbruch von A68 nach Meinung vieler Antarktisforscher Teil eines natürlichen Zyklus ist und nichts mit der Erderwärmung zu tun hat, wie dies für die weiter nördlich gelegenen Eisschelfe angenommen wird. Die Fahrt zur Abbruchkante ist für die Expedition nicht ungefährlich, denn A68 zerfällt bereits weiter, so dass die Region voller kleinerer Eisberge ist. Mit Hilfe von Satellitenüberwachung soll das Schiff sicher durch das Südpolarmeer navigieren.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.