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Umweltchemie: Extreme pH-Werte nach ungarischer Rotschlammkatastrophe

Rotschlammflut in Ungarn
Am 4. Oktober 2010 barst im Westen Ungarns der Damm eines Absetzbeckens, in dem mindestens eine Million Kubikmeter Rotschlamm lagerten – Produktionsrückstände des Aluminiumwerks von Ajka. Die Flut ergoss sich über vier Dörfer in der Umgebung, tötete mehrere Menschen und bedeckte schließlich mindestens 40 Quadratkilometer Land, darunter auch große Ackerflächen.

Wissenschaftler befürchteten damals, dass die im Rotschlamm enthaltenen Schwermetalle den Boden auf Dauer für die Landwirtschaft unbrauchbar machen würden. Tatsächlich aber erweisen sich weniger die giftigen Elemente als vielmehr der hohe pH-Wert des Schlamms als Problem für die Landwirtschaft, wie Erik Smolders von der Katholischen Universität in Leiden und seine Kollegen herausgefunden haben.

Rotschlammflut in Ungarn | Als ein mangelhaft gesicherter Damm des Aluminiumwerks von Ajka im Oktober 2010 barst, ergossen sich mindestens 70 000 Kubikmeter Rotschlamm in die Umgebung. Die Flut tötete zehn Menschen und verletzte Hunderte durch die ätzende Natronlauge, die im Produktionsabfall enthalten war.
Reiner Rotschlamm besitzt einen pH-Wert von 12 und ist damit 100 000 Mal stärker alkalisch als ein Boden mit neutralem pH-Wert von 7. Diese extrem alkalischen Bedingungen behindern den Anbau verschiedenster Nutzpflanzen wie Mais oder Alfalfa: In Tests wuchsen die Pflanzen auf mit Rotschlamm belasteten Böden schon bei einem pH-Wert von 8,3 um ein Viertel langsamer und verkümmerten eher als auf sauberen Vergleichsflächen. Schuld daran ist vor allem der hohe Gehalt an Natronlauge im Rotschlamm, denn die freigesetzten Natriumionen werden von den Pflanzen an Stelle anderer Nährelemente aufgenommen und mindern dann die Wuchsleistung.

Die anfänglich von Behörden und Umweltverbänden befürchtete Kontamination der Region mit giftigen Metallen erwies sich dagegen als weniger gravierend. Die Messungen von Smolders und Co ergaben zwar erhöhte Konzentrationen an Aluminium, Chrom, Kupfer, Eisen oder Nickel, doch lägen die Belastungen noch unter international üblichen Grenzwerten, so die Forscher. Um pH-Wert und Salzgehalt der betroffenen Böden zu senken, empfehlen sie die Gabe von Gips: Das Kalziumsulfat sorgt dafür, dass das Substrat wieder weniger alkalisch wird, und beschleunigt dessen Entsalzung. Unabhängig davon müssten dennoch auch die Metallkonzentrationen in betroffenen Gemeinden langfristig beobachtet werden, damit eventuelle Anreicherungen in der Nahrungskette rechtzeitig entdeckt würden, fordert Smolders. (dl)

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