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Rückenmarksverletzung: Farbstoff stoppt Nervenschäden

Maus mit Farbstoff
Forscher vom Medical Center der US-amerikanischen University of Rochester wollen aus blauer Lebensmittelfarbe eine Art "Erste-Hilfe-Medikament" entwickeln, das die Folgen einer Rückenmarksverletzung drastisch abmildert. Die Mediziner um Maiken Nedergaard beobachteten bei Versuchen an Mäusen, dass ein zu anderen Zwecken häufig eingesetzter Farbstoff den Tod von Nervenzellen verhindert. Mit Brilliant Blue G (BBG) behandelte Versuchstiere erlangten sogar teilweise ihre Bewegungsfähigkeit zurück. Als Nebenwirkungen hätten sie lediglich eine blaue Färbung gezeigt, so die Wissenschaftler.

Blaue Fellfärbung | Das Fell der Labormäuse färbte sich infolge der Behandlung blau. Weitere Nebenwirkungen der verwendeten Chemikalie waren nicht zu beobachten.
Normalerweise sterben in den Stunden nach der Verletzung des Rückenmarks zahlreiche, eigentlich unversehrte Neuronen ab. Durch diese sekundäre Reaktion verschlimmert sich der ursprüngliche Schaden dramatisch. Grund für die Folgeschädigung ist, dass das verwundete Gewebe massenhaft Adenosintriphosphat (ATP) ausschüttet und so die unverletzten Bewegungsneuronen der Wirbelsäule in ein Impulsfeuerwerk treibt, in dem sie ihre Kräfte so sehr verausgaben, dass sie absterben. Als Schuldigen konnte die Forschergruppe bereits vor einigen Jahren den Rezeptor P2X7R identifizieren, der auf das ATP-Signal hin Poren in der Zellmembran öffnet, durch die positiv geladene Kalziumionen einströmen. Diesen Rezeptor konnten Nedergaard und Kollegen im Mausexperiment nun mit BBG blockieren.

Der Farbstoff ist eine Variante des in der Nahrungsmittelindustrie weit verbreiteten Farbstoffs FD&C Blue No. 1. Das Molekül überwindet die Blut-Hirn-Schranke und wirkt unmittelbar auf die ATP-Andockstelle an den Rückenmarksneuronen. Voraussetzung war allerdings, dass die Behandlung maximal eine Viertelstunde nach der Verwundung erfolgte, zu einem Zeitpunkt also, zu dem die fatalen Nachwirkungen der Rückenmarksverletzung noch nicht weit fortgeschritten waren.

Bei früheren Experimenten hatten die Forscher Erfolge erzielt, indem sie einen Wirkstoff – anders als nun den Farbstoff – direkt in die Wirbelsäule injizierten. "Aber niemand möchte gerne Patienten in deren schwerverletzte Wirbelsäule eine Spritze geben ", sagt Nedergaard. Allerdings dürfte es noch einige Jahre dauern, bis die Unbedenklichkeit des Stoffs und seine Wirksamkeit auch bei Menschen zweifelsfrei nachgewiesen sein werde. (jd)

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  • Quellen
Peng, W. et al.: Systemic administration of an antagonist of the ATP-sensitive receptor P2X7 improves recovery after spinal cord injury. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 10.1073/pnas.0902531106, 2009.

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