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News: Fleißige Polymere

Noch gibt es ihn nicht, den Roboter, der als unsere Haushaltshilfe die tägliche Last der Arbeit abnimmt. Bisher scheitert der künstliche Butler an einem flexiblen und effektiven Bewegungssystem, das wie die menschliche Muskulatur arbeitet. Techniker spekulieren schon seit längerem über Polymergele, die Roboterarme bewegen könnten. Jetzt haben japanische Wissenschaftler entdeckt, dass Polymergele durch Laserlicht gesteuert werden können.
Ein künstlicher Muskel muss sich reversibel zusammenziehen und entspannen können. Bisher experimentierten Techniker mit Polymergelen – langen, quasi-flüssigen Kunststoffmolekülketten. Durch Wasserstoffbrückenbindungen oder Van-der-Waals-Kräfte ziehen sie sich zusammen, durch elektrostatische oder hydrophobe Kräfte stoßen sie sich gegenseitig ab. Verändert man die chemisch-physikalischen Bedingungen wie Temperatur, pH-Wert oder Lösungsmittelzusammensetzung, dann können sich die künstlichen Molekülketten wie Muskelfasern bewegen. Eine gezielte Bewegung nur einer einzelnen Faser ist jedoch mit dieser indirekten Methode nicht möglich.

Unter der Leitung von Hiroaki Misawa schlagen Wissenschaftler der University of Tokushima eine direkte Methode vor. Sie stellten ein Polymergel aus N-Isopropylacrylamid her und bestrahlten einen Zylinder des Gels mit Laser. Der Zylinder zog sich daraufhin zu einem hantelförmigen Gebilde zusammen. Sobald die Wissenschaftler den Laser abschalteten, entspannte sich das Polymer wieder zu seiner ursprünglichen Form (Nature vom 9. November 2000).

Die besonderen Eigenschaften von Polymergelen machen diese Bewegung möglich. In dem Gel herrscht ein ausbalanciertes Gleichgewicht zwischen anziehenden und abstoßenden Kräften. Die Energie des Lasers stört dieses Gleichgewicht, sodass sich das Gel schlagartig zusammenzieht. Die Bewegung erfolgt in weniger als einer Sekunde. Sie verläuft reversibel – eine wichtige Voraussetzung für einen zukünftigen Einsatz.

Die Wissenschaftler mussten jedoch einen kleinen Trick anwenden, um die Bewegung des Polymers zu ermöglichen: Statt normales Wasser nahmen sie schweres Wasser als Lösungsmittel. In schwerem Wasser, D2O, ist der Wasserstoff durch das schwere Wasserstoffisotop Deuterium ersetzt. Physikalisch verhält sich D2O wie normales Wasser, die chemischen Eigenschaften verändern sich jedoch: Die Bindung zwischen Deuterium und Sauerstoff absorbiert nicht die Energie des Laserstrahls. Normales Wasser würde sich dagegen durch die Bestrahlung erhitzen und damit eine technische Anwendung erschweren oder ganz verhindern.

Die Wissenschaftler denken bei ihren Gelen nicht nur an künstliche Muskeln in Roboterarme. "Weil Gele, die sehr viel Wasser enthalten, ähnlich wie Gewebe sind, könnte die Methode prinzipiell verwendet werden, um Gewebe ohne Erwärmungseffekte kollabieren zu lassen", meint der Polymerforscher Zhibing Hu von der University of North Texas. "Das könnte für manche Krebsbehandlungen sehr nützlich sein."

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