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News: Flüssiger Fünfer

Normalerweise mag die Natur keine fünfzählige Symmetrien. Schließlich lässt sich mit entsprechend beschaffenen Objekten der Raum nicht optimal ausfüllen. Doch was bei festen Stoffen verpönt ist, muss ja nicht bei Flüssigkeiten gelten.
Glühendes Kupfer
Dreiecke, Vierecke, Sechsecke – es gibt einige Möglichkeiten, einen Boden lückenlos mit Fliesen zu belegen. Doch mit Fünfecken geht es irgendwie nicht. Denn stets bleiben Lücken zurück, die mit einer anderen Kachel zu füllen wären. Entsprechend sind auch in der Natur fünfzählige Symmetrien äußerst selten anzutreffen. Lange Zeit waren sie allerhöchstens ein theoretisches Konstrukt ohne praktische Bedeutung. Erst Anfang der 1980er Jahre entdeckte der Physiker Dan Shechtman mit seinen Kollegen eine seltsame Klasse von Festkörpern mit fünfzähliger ikosaedrischer Symmetrie: die Quasikristalle.

Diese Strukturen – der Name deutet es an – stehen gewissermaßen zwischen den Welten. Zwar besitzen sie durchaus eine kurzreichweitige Ordnung, doch gibt es keine Elementarzelle wie sonst in einem Kristallgitter, die sich nach Belieben verschieben lässt, da sie sich periodisch im Kristall wiederholt. Die Quasikristalle nehmen vielmehr die Stuktur eines so genannten Penrose-Gitters an, in dem weitere Elemente beispielsweise Rhomboeder dazu dienen, den Raum auszufüllen – ganz wie die Zusatzfliesen im fünfeckigen Parkett.

Bislang kennt man solche Quasikristalle vor allem von bestimmten Legierungen, aber fünfzählige Symmetrien sollten zumindest theoretisch auch in flüssigen und unterkühlt flüssigen Stoffen vorkommen – so zumindest eine Theorie, die bereits aus den 1950ern stammt. Denn häufig sind Metalle im flüssigen Zustand nicht komplett ungeordnet, sondern es entstehen und vergehen permanent kleine begrenzte Strukturen, so genannte Cluster.

Andrea Di Cicco und seine Kollegen von der Universität Camerino versuchten nun, die Fünfzähligkeit anhand einer Kupferschmelze mit Röntgenabsorptionsspektroskopie (XAS) nachzuweisen. Bei dieser Methode treffen Röntgenstrahlen auf eine Probe und schlagen Elektronen aus den inneren Schalen der Atome. Diese Photoelektronen streuen bei ihrem Weg zurück an weiteren Atomkernen und geben durch ihre Verteilung schließlich Aufschluss über das Kristallgitter. Allerdings lässt sich so normalerweise nicht viel mehr als der Atomabstand gewinnen.

Di Cicco und seine Kollegen konnten den Elektronen jedoch auch eine weitere Information entlocken: in welchem Winkel drei Atome zueinander stehen. Denn die Photoelektronen streuen nicht nur an den Atomen, sie schlagen ihnen mitunter selbst noch ein zweites Elektron heraus, das dann wiederum selbst an Atomen streut. Unter Berücksichtigung dieses Effekts fanden die Forscher heraus, dass zwar der größte Teil der Cluster, die sich in einer Schmelze bilden, kubische Symmetrie aufweisen, aber immerhin zehn Prozent der Röntgendaten weisen auf eine ikosaedrische Struktur mit fünfzähliger Symmetrie hin.

Doch noch sind Di Cicco und Co offenbar vorsichtig, zumindest haben sie die Überschrift ihrer Arbeit noch mit einem dicken Fragezeichen versehen. Andere Forscher sind an den Ergebnissen jedenfalls schon sehr interessiert. Schließlich könnte die Arbeit der Italiener dazu beitragen, das Wachstum von Kristallen besser zu verstehen.

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