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News: Fraktale Löcher

Wenn es gilt, Luft, Wasser oder andere Gase und Flüssigkeiten zu reinigen, dann greift man häufig auf Aktivkohle zurück. Um die Funktionsweise dieses Wunderfilters besser zu verstehen, haben Wissenschaftler das verzweigte Netzwerk filigraner Kanäle näher untersucht, es als fraktale Struktur identifiziert und damit vermutlich das erste "Porenfraktal" überhaupt entdeckt.
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Aktivkohle ist ein äußerst poröses Material mit außerordentlich großer innerer Oberfläche: 1000 Quadratmeter pro Gramm und mehr sind durchaus möglich. Daraus resultiert auch das ausgezeichnete Adsorptionsvermögen der Aktivkohle, weshalb sie in Industrie und Technik häufig als Filter für Gase und Flüssigkeiten Einsatz findet.

Chemisch gesehen ist Aktivkohle mikrokristalliner, stark angegriffener Graphit. Sie entsteht durch Erhitzen von Holz, Torf, Kokosnussschalen, tierischen Stoffen (Knochen, Blut), Zuckermelasse und anderen organischen Materialien unter Luftabschluss. Peter Pfeifer von der University of Missouri in Columbia und seine Kollegen wollten genauer wissen, wie es zur Ausbildung der verzweigten Kanäle und Poren kommt und stellten dazu zunächst selbst Aktivkohle her.

Für ihre Experimente bedienten sie sich einfacher Olivenkerne, die sie verkohlen ließen und bei einer Temperatur von 750 Grad Celsius Wasserdampf aussetzten. Der Wasserdampf lieferte dabei Sauerstoff, mit dem ein Teil der entstandenen Holzkohle direkt zu Kohlenmonoxid und Wasserstoff oxidiert wurde. Diese Reaktion verlief extrem langsam, nur etwa ein Prozent des Kohlenstoff wurde in der Stunde umgesetzt.

Anschließend untersuchten die Forscher das Produkt mit Kleinwinkel-Röntgenstreuung. Hierbei trifft ein Röntgenstrahl unter flachem Winkel auf die Probenoberfläche und wird dort reflektiert. Das Reflexionsspektrum weist dann Oszillationen auf, die sich auf die Schichtstruktur zurückführen lassen. Mithilfe von Modellrechnungen kann man so beispielsweise die Oberflächenrauhigkeit ermitteln. Ferner prüften die Wissenschaftler auch die Stickstoff-Adsorption des Materials zur Oberflächenmessung und betrachteten es mit einem Raster-Tunnelmikroskop.

Zu ihrer Überraschung stellten sie fest, dass die Poren und Kanäle der Aktivkohle eine fraktale Struktur aufwiesen. Offenbar verschwand beim Oxidieren nicht einfach eine Kohlenstoff-Lage nach der anderen, auch entstanden nicht einfach Löcher unterschiedlicher Größe, vielmehr bildeten sich durch lokale Ätzprozesse und den Kollaps von Porenwänden gleichmäßige Kanäle von etwa zwei Nanometer Breite. Hier und da verzweigten sich diese Gänge, um ein kompliziertes Netzwerk winziger Kanäle zu erzeugen. So entdeckten die Forscher vermutlich das erste Porenfraktal überhaupt – also eine fraktale, aus Hohlräumen bestehende Struktur.

Die Röntgenuntersuchung lieferte dabei die fraktale Dimension, also ein Maß für die Unregelmäßigkeit des Fraktals: Fast drei ist dieser Wert, was bedeutet, dass die Oberfläche der inneren Porenstruktur fast das gesamte Volumen ausfüllt – angesichts einer Fläche von rund 1000 Quadratmeter pro Gramm ist das allerdings auch kaum verwunderlich.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich in dem Netzwerk der Nanoporen Methan oder andere Brennstoffe speichern lassen. Denn die Moleküle werden von den schmalen Gängen bereitwillig aufgenommen. So könnte man Methan viel einfacher lagern als unter hohem Druck in Stahlflaschen. Auch für die Trennung verschiedener Gase, wäre die Aktivkohle zu gebrauchen. Denn viele Gase passieren die schmalen Kanäle anstandslos, während sich andere dazu nicht bewegen lassen. Schließlich könnte die Aktivkohle auch neue Möglichkeiten zur Speicherung von Strom eröffnen, wenn man dazu zwischen die Elektroden eines Kondensators das poröse Material mit einer ionischen, leitenden Flüssigkeit füllen würde.

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