Biotechnologie: Fremde Wesen in der Tabakpflanze
Mischwesen haben Konjunktur im populärwissenschaftlichen Zoo. Gruselig, denken manche, die sich ausmalen, was die Forscher da so speziesvermengend treiben. Von einem die Nerven beruhigenden Spaziergang in die Flora ist den Verschreckten aber abzuraten, denn auch in die grüne Küche wird tierisch hineingemischt.
Ob Mensch und Maus den Vergleich mit den Geistern der Indianer aushalten sei dahingestellt. Eine besondere Heilkraft wohnt den beiden aber tatsächlich inne. Denn das anpassungsfähige Immunsystem der Wirbeltiere verfügt mit seinen Antikörpern über ein vielköpfiges Heer von heilenden Akteuren. Diese Y-förmigen Gebilde werden zur Abwehr eines jeden Angreifers aufs Neue maßgeschneidert.
Trotz der Myriaden von nach Feinden ausspähenden Antikörpern hat aber auch das Immunsystem seinen blinden Fleck. In dem lauern Gefahren, die der Körper nicht ohne weiteres als fremd identifizieren kann, beispielsweise Tumorzellen. Inzwischen beginnen aber Mediziner diese Lücke im Verteidigungswall zu füllen – und zwar mit der Antikörpertherapie. Bei der helfen Injektionen mit speziellen Immunglobulinen dem Abwehrsystem gegen Krebserkrankungen auf die Sprünge. So befindet sich etwa das Medikament Herceptin auf dem Markt, ein vom Mäuseimmunsystem designtes Immunglobulin, das als Antigen einen Rezeptor erkennt, der gehäuft auf menschlichen Brustkrebszellen auftritt.
In den USA unternehmen Agrarfirmen große Anstrengungen, den Pflanzen die Herstellung der menschlichen und tierischen Eiweißen beizubringen. Verständlich, denn "die Anfertigung in Mais, Soja und Tabak verspricht eine saubere, billige und pathogenfreie Produktion, und das in großen Mengen", meint etwa der Münchner Botaniker Hans-Ulrich Koop. Derzeit ist aber noch kein aus Pflanzen stammender Antikörper – im Jargon Plantibody genannt – als Medikament zugelassen. Ein Haken bei der Sache ist noch, dass die für die Eiweißtätigkeit wichtige Glykosylierung in den grünen Fabriken nach einem etwas anderen Muster als beim Menschen verläuft. Deshalb sei jeweils kaum vorherzusehen, wie gut ein Antikörper im menschlichen Körper funktioniert und ob es eventuell zu Abwehrreaktionen kommt, so Koop.
Also werden zukünftige Studien zeigen müssen, wie gewandt sich die heilkräftigen Wesen aus Nicotiana tabacum im menschlichen Körper verhalten. Für den botanisch generierten CO-17-1A plant Hilary Koprowski nun Phase-1 der klinischen Prüfungen – eine Studie an Darmkrebspatienten. Experten wie Koop jedenfalls halten es nur für eine Frage der Zeit, bis auch Plantibodies sämtliche Tests erfolgreich durchlaufen.
Der Geist in der Pflanze, dessen Dienste ja schon seit langem nicht nur zu kultischen Handlungen, sondern weltweit für zweifelhaften alltäglichen Genuss gefragt sind, scheint sich in seinen Blättern auf weiteren Besuch von jenseits der Artgrenze einrichten zu müssen. Wie er damit klar kommt, wird allerdings noch schwerer aufzuklären sein, als die Verträglichkeit der Plantibodies.
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