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News: Freund oder Feind

Als unsere "Privat-Armee" patrouillieren unentwegt Millionen von Immunzellen durch den menschlichen Organismus. Ihre Aufgabe besteht darin, heimliche Eindringliche - wahre Meister der Tarnung - aufzuspüren und zu vernichten. Doch wenn das Immunsystem aus den Fugen gerät und die Abwehrzellen körpereigene Zellen attackieren, sind verheerende Krankheiten wie Arthritis die Folge. Um dies zu verhindern, richten bestimmte Immunzellen ihre "Pistolenmündung" auf jene übereifrigen Zellen.
T-Lymphozyten (T-Zellen) spielen in unserer Immunantwort eine Schlüsselrolle. Bevor sie Viren, Bakterien und andere Krankeitserreger angreifen, müssen sie zunächst lernen, Freunde von Feinden ("Selbst" von "Fremd") zu unterscheiden. Aus diesem Grund gehen sie in eine besondere "Schule": In dem "Ausbildungslager" – der etwa kirschgroßen, hinter dem Brustbein versteckten Thymusdrüse – entwickeln sich die im Knochenmark gebildeten T-Zellen zu speziellen Abwehrzellen. Eine wichtige Reifeprüfung ist die Interaktion zwischen dem T-Zell-Rezeptor und den körpereigenen Eiweißen, die auf der Oberfläche anderer Zellen präsentiert werden. Ein T-Lymphozyt, der nur schwach an diese Peptide bindet, hat den Test bestanden und darf die Thymusdrüse verlassen. Aber eine T-Zelle, welche sich fest an die körpereigenen Eiweiße klammert, wird zum Selbstmord gezwungen. So lautete die bisherige Lehrmeinung.

Um diesen Vorgang besser zu verstehen, züchteten Andrew Caton und seine Kollegen vom Wistar Institute zwei Stämme von transgenen Mäusen: Ein Stamm besaß T-Zellen mit einer hohen Affinität für ein bestimmtes körpereigenes Peptid, während die T-Lymphozyten des anderen Stammes eine hundertfach geringere Anziehung aufwiesen. "Wir erwarteten, dass die stark-bindenden T-Zellen im Thymus zerstört werden, während die T-Lymphozyten mit geringer Affinität entwischen dürfen", erläutert Caton.

Doch erstaunlicherweise trat das Gegenteil ein: Anstatt in der Thymusdrüse abgetötet zu werden, wimmelte es in den transgenen Mäusen von selbstreaktiven T-Zellen. Bei näherer Betrachtung stellten sich die potentiell gefährlichen "Ausbrecher" als segensreich heraus: Während ihres Aufenthaltes im Thymus entwickelten sie sich zu so genannten unterdrückenden oder Suppressor-T-Zellen, die einer neuen Klasse von T-Zellen angehören. Gewöhnlich schalten sie andere T-Lymphozyten aus, deren Tätigkeit von demselben Peptid angeregt wurde. Diese Regulatoren durchkämmen den Körper nach autoreaktiven T-Zellen, die der Thymusdrüse eventuell entschlüpft sind.

Die Ergebnisse sind "ziemlich verblüffend", betont Michael Bevan von der University of Washington, weil eine starke Interaktion zwischen T-Lymphozyt und körpereigenem Peptid den sicheren Tod für die Abwehrzelle bedeutet. "Dies könnte aber ein neuer Weg sein, um selbstreaktive T-Zellen im Schach zu halten." – "Vielleicht handelt es sich um einen entscheidenden Mechanismus, der den Körper vor Autoimmunkrankheiten schützt", spekuliert Caton. "Wenn wir verstehen, wie Suppressor-T-Zellen hergestellt werden, könnten wir diese Zellen möglicherweise vermehren und so Autoimmunkrankheiten behandeln."

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