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News: Ganz verschieden

Holzeinschlag, Ackerbau, Jagd - der Mensch rückt seinen nächsten Verwandten auf vielerlei Weise äußerst unangenehm auf den Pelz. Ebenso vielfältig sind die Reaktionen auf die Bedrohungen.
Schimpanse
Etwa die Hälfte aller Primatenarten weltweit ist vom Aussterben bedroht. Die Schuld daran trägt ein weiterer Primat – der Mensch: Er macht ihnen Lebensraum und Nahrung streitig, betrachtet sie gar selbst als schmackhafte Speiseplanzugabe und zeigt nur selten Einsicht und Ansätze, sein bedrohliches Verhalten einzuschränken und Schutz zu gewähren.

Doch wer schützen will, muss erst einmal wissen, wie die Schutzbedürftigen überhaupt auf die Gefahren reagieren. Schließlich ist Affe nicht gleich Affe – so unterschiedlich ihre Lebensansprüche sind, so verschieden gehen sie mit dem störenden Umweltfaktor Mensch und den daraus folgenden Unbillen um.

Nick Isaac und Guy Cowlishaw von der Londoner Zoologischen Gesellschaft haben nun anhand einer Analyse etlicher Daten aus Freilandstudien zusammengestellt, wie sich selektiver Holzeinschlag, Wanderfeldbau und Jagd auf die Bestände von Brüllaffe, Schimpanse und Co auswirken. Dabei interessierte sie besonders, welche typischen Lebens- und Verhaltensweisen der Tiere von entscheidender Bedeutung sind.

Letztendlich lagen den Forschern weit über 500 "Reaktionsmuster" von 87 Spezies an verschiedensten Orten vor. Allerdings konnten die Wissenschaftler nur bei 25 Arten Erhebungen zum Einfluss aller drei betrachteten Gefährdungen auswerten und so Unterschiede in den Antworten feststellen. Für 27 Spezies waren immerhin die Reaktionen auf zwei der Störeinflüsse registriert, für den Rest waren nur Bestandsveränderungen durch einen Faktor bekannt.

So umfangreich die Datenmatrix, so vielfältig war auch das Reaktionsspektrum. Einige typische Muster ließen sich aber dennoch mit statistischer Hilfe herauskristallisieren. So zeigte sich im Falle des selektiven Holzeinschlags, dass Arten mit engen ökologischen Ansprüchen, insbesondere die Temperaturspanne betreffend, hart davon getroffen werden. Das Nahrungsspektrum oder die Lebensweise – am Boden oder in den Bäumen – spielte hierfür keine Rolle. Den großen Einfluss der Temperaturverträglichkeit führen die Forscher darauf zurück, dass in Wäldern mit selektivem Holzeinschlag größere Temperaturschwankungen auftreten, die bei den Tieren zu Hitzestress führen könnten. Zu den Geschädigten der forstlichen Aktivitäten gehören unter anderem Schimpansen, und auch Brüllaffenbestände gehen deutlich zurück. Die Populationen von Gorillas hingegen bleiben davon offenbar weitgehend ungestört.

Obwohl auch Wanderfeldbau letztendlich den Lebensraum der Tiere beeinträchtigt, wirkt er sich ganz anders aus. Hier bleibt die ökologische Flexibilität außen vor, dafür zählt nun die Lebensweise, denn dieser Eingriff stört vor allem die Baumkronenbewohner. Wer hingegen vorwiegend am Boden unterwegs ist und sich noch dazu überwiegend von Früchten ernährt, kommt mit den neuen menschlichen Nachbarn noch am besten zurecht. Auf den zweiten Blick eine durchaus nachvollziehbare Beobachtung: Die Kleinbauern lassen beim Roden der Flächen meist fruchttragende Schattenspender stehen und pflanzen auch selbst noch weitere fruchtende Baumarten dazu. Schimpansen wie Gorillas gehören hier offenbar sogar zu den Gewinnern, denn ihre Anzahl ist den Daten zufolge in derart bewirtschafteten Gebieten höher als in unbeeinflussten Kontrollregionen. Für den Roten Stummelaffen hingegen ist Wanderfeldbau eine Katastrophe.

Die viel direktere Bedrohung durch Jagd trifft insbesondere große Tiere, was jedoch offenbar mehr auf den Vorlieben der Jäger beruht denn auf einer mangelnden Erholung der Bestände durch Nachwuchs. Der beobachtete positive Effekt der Jagd auf manche Arten erklärt sich laut den Wissenschaftlern durch verschobene Konkurrenzverhältnisse: Indem manche Spezies unter dem Jagdruck leiden, können andere, kleinere Arten die entstehenden Lücken füllen. Zu den Profitierenden gehören so einige Meerkatzen, während Gorilla und Schimpanse dadurch stark beeinträchtigt werden.

Zur Verblüffung der Forscher zeigte die Gruppengröße keinen Einfluss auf die Entwicklung der Lebensgemeinschaften angesichts der verschiedenen Gefährdungen. Wahrscheinlich sei das Verhaltensrepertoire der Primaten so anpassungsfähig, dass sie beispielsweise auf Jagd oder einen offeneren Lebensraum reagieren, indem sie kleinere Gruppen bilden sowie ihre Umgebung sehr viel aufmerksamer überwachen und damit Gefahren schneller wahrnehmen.

Letztendlich dokumentiert der Datenwust vor allem eins: Die Sache mit dem Schutz ist alles andere als einfach. Was den einen stört, scheint dem anderen ganz egal zu sein, mag eine Art mit einer Belastung zurechtkommen, verträgt sie eine andere Störung schlecht. Insgesamt wird damit die Arbeit der Naturschützer nur noch schwieriger – angesichts der weltweiten Bedrohung unserer nächsten Verwandten wahrlich keine gute Nachricht.

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