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News: Gefährliche Streptokokken

Fast jeder hat sie - kaum einer bemerkt sie: Streptokokken. Die opportunistischen Bakterien besiedeln Hals und Rachen, normalerweise ohne dass unsere Gesundheit davon beeinträchtigt wird. Doch mitunter können sie gefährliche Krankheiten auslösen. So gelten Infektionen mit Streptokokken der Gruppe A als weltweit häufigste Ursache tödlicher Herzerkrankungen bei Kindern. Jetzt zeigt sich, dass auch die bisher als harmlos geltenden Streptokokken der Gruppen C und G lebensbedrohliche rheumatische Herzerkrankungen auslösen können.
Streptokokken-Bakterien werden auf Grund bestimmter Zuckermoleküle in Gruppen eingeteilt, die mit Testsystemen leicht bestimmbar sind. Als krankheitsauslösend galten bisher nur Streptokokken der Gruppe A. Infektionen mit diesen Bakterien erzeugen Hals- und Mandelentzündungen oder Scharlach. Gefährlich sind die möglichen Spätfolgen: Antikörper, die der Körper zur Abwehr der Bakterien bildet, reagieren auch mit Myosin, einem Grundbaustein der Herzmuskulatur. Die Autoimmunreaktion führt damit zu einer dauerhaften Schädigung der Herzklappen. "Betroffen sind rund 15 Millionen Kinder im Alter von fünf bis fünfzehn Jahren vorwiegend in Entwicklungsländern, aber auch in Nordamerika; jährlich kommen neue Fälle hinzu", erklärt Singh Chhatwal, der Leiter der Abteilung Mikrobielle Pathogenität und Impfstoffforschung der Gesellschaft für Biotechnologie in Braunschweig.

Die Braunschweiger Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, dass auch Infektionen der bisher als harmlos geltenden Streptokokken der Gruppen C und G als Spätfolge lebensbedrohliche rheumatische Herzerkrankungen auslösen können. Chhatwal und seine Kollegen untersuchten Aborigines im Norden Australiens, die weltweit eine der höchsten Raten an rheumatischen Herzerkrankungen aufweisen. In Rachenabstrichen von Kindern fanden sie kaum Streptokokken der Gruppe A, sondern nur solche der Gruppen C und G. Wie die Mikrobiologen berichten, werden auch bei diesen Infektionen Antikörper gegen Herz-Myosin gebildet (The Lancet vom 30. September 2000). Elektronenmikroskopische Aufnahmen belegen, dass die Bakterien in menschliche Zellen eindringen können.

Rachenentzündungen mit Streptokokken der Gruppen C und G sind damit besonders heimtückisch, da sie fast ohne Symptome verlaufen und daher leicht übersehen werden. "Patienten mit C- und G-Streptokokken wurden bisher ignoriert, Aufmerksamkeit galt nur den Streptokokken der Gruppe A", erläutert Chhatwal. Auf Grund der weltweiten Bedeutung rheumatischer Herzerkrankungen findet die Braunschweiger Studie großes Interesse. Allein in Indien leiden über sechs Millionen Schulkinder an den Spätfolgen einer Streptokokken-Infektion. Der Generaldirektor für Medizinsche Forschung im indischen Gesundheitsministerium Nirmal Ganguly betont: "Chhatwals Hypothese wird für viel Wirbel sorgen. Wir müssen unsere Strategien zur Bekämpfung rheumatischer Herzerkrankungen überdenken und neue Konzepte entwickeln."

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