Direkt zum Inhalt

News: Gegen die Intoleranz

Manche Menschen dürfen ein Leben lang weder Törtchen noch warm duftende Croissants essen: Für sie ist ein Bestandteil des Getreidemehls Gift für die Verdauung. Der Schuldige steht nun fest und lässt eine Therapie näher rücken.
Wer noch nie etwas von Gluten gehört hat, muss sich nicht grämen – begegnet einem der Begriff doch meist erst, wenn man sich einem Regal mit Babynahrung nähert und auf einem Teil der Gläschen, Breie und Flocken mit Glutenfreiheit gepriesen wird. Wovor sollen die Kleinen geschützt werden, fragt man sich unweigerlich, wenn einem überall glutenfrei entgegenleuchtet?

Durch den Verzicht auf Gluten, das Klebereiweiß von Weizen, Roggen, Gerste und Hafer, soll eine mögliche Allergie oder Unverträglichkeit auf den Stoff vermieden werden. Denn das Abbauprodukt schlägt wesentlich mehr Menschen auf den Darm als vermutet: So leiden weltweit geschätzt einer von 300 Menschen an der Erkrankung Zöliakie.

Erste Symptome wie chronischer Durchfall, mangelhafte Gewichtszunahme und Wachstum, machen sich bereits in der frühen Kindheit bemerkbar. Tritt die Unverträglichkeit erst im Erwachsenenalter auf, können zusätzlich Müdigkeit, Blutarmut und neurologische Symptome hinzukommen. Im Laufe der Zeit führt sie zu einem allgemeinen Krankheitsgefühl und möglicherweise sogar zu Darmkrebs.

Wie kommt es zu all diesen Beschwerden? Lu Shan und Chaitan Khosla von der Stanford University meinen, den Auslöser dingfest gemacht zu haben. In Laborversuch simulierten die Wissenschaftler den Verdauungsvorgang, indem sie den Gluten-Bestandteil Gliadin mit den gewöhnlichen Verdauungsenzymen zusammenbrachten und beobachteten, was in ihrem Versuchsröhrchen geschah.

Während die meisten Proteine in kleine Bestandteile mit einer Länge von zwei bis sechs Aminosäuren abgebaut werden, bleibt von Gliadin offenbar ein Riese unter den Proteinstückchen übrig: eine 33 Aminosäuren lange Kette, die sich standhaft jeder weiterhin Verdauung widersetzte und deren Struktur dafür bekannt ist, giftig zu sein.

Bei den meisten Menschen sorgt die ungewöhnlich lange Kette jedoch nicht für Probleme, da sie im Verdauungstrakt einfach weiter nach unten geschoben wird, bis sich Mikroorganismen ihrer annehmen. Nicht so bei Patienten mit Zöliakie. Hier macht die Kette richtigen Ärger, da sie das Immunsystem fälschlicherweise auf sich aufmerksam macht und die T-Zellen gegen den Darm aufbringt.

Einen Ausweg aus der lebenslangen Abstinenz von Weizen, Roggen, Hafer und Gerste könnte sich aus der genauen Studie des Auslösers für die Betroffenen abzeichnen. Denn die 33 Aminosäuren lange Kette ist überdurchschnittlich reich an der Aminosäure Prolin. Genau hier wollen die Forscher zukünftig ansetzen und mit einer bestimmten Peptidase ein Enzym ins Spiel bringen, das besonders gern an dieser Aminosäure die Proteinkette durchtrennt.

Bis zum möglichen Einsatz beim Menschen wird allerdings noch ziemlich viel Zeit vergehen – mindestens fünf bis acht Jahre, schätzt Khosla, da es momentan kein geeignetes Tiermodell gibt, das dem Krankheitsbild entsprechen würde. Der Biochemiker ist trotzdem optimistisch: In zwei bis drei Jahren will er den Einsatz entsprechender Peptidasen bei Patienten testen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.